Der Tradition verpflichtet
Das Restaurant „Au Soldat de L’an 2″ in Phalsbourg stand stets für beste französische Hochküche. Dieses schwere Erbe hat nun Philippe Jego übernommen – und meistert die große Aufgabe mit Bravour. Und das in gleich zwei Restaurants im gleichen Haus.
Der „Soldat de L’an 2″ von Georges-Victor Schmitt in Phalsbourg ist Geschichte! Er hat verkauft, und in dem ehrwürdigen Haus ist Neues entstanden. Lange suchte er einen Nachfolger, denn es sollte jemand sein, der sein Lebenswerk mit eigenem Akzent weiterführt. Immerhin hatte es Schmitt über Jahrzehnte geschafft, dass sein Restaurant zu den besten in Ostfrankreich gehörte. Es sollte nach Möglichkeit jemand sein, dessen Küche viele Menschen von nah und fern begeistert. Und der ist nun mit Philippe Jego gefunden. Dieser Meisterkoch trägt den Titel „Meilleur Ouvrier de France“, kurz MOF, und dieser Titel machte Paul Bocuse bei den deutschen Feinschmeckern vor vielen Jahrzehnten bekannt. Er wird nur an die herausragenden Vertreter der verschiedenen Handwerke vergeben. Köche mit diesem Titel tragen immer die französischen Nationalfarben am Hemdkragen. Mir ist also nicht bange, dass hier weiterhin zum Ruhm der französischen Küche gekocht wird.
Bei unserer Ankunft in den heiligen Hallen des Genusses fiel mir allerdings gleich auf, dass hier umgebaut und verändert wurde. Erste Erkenntnis: Aus einem Restaurant wurden zwei! Diese heißen nun „La Table de L’an 2″ und „Le Bistrot du Soldat“. Die alte, schwere Tür am Eingang wurde abgebaut, eine helle Glasfront hat sie ersetzt. Die neuen Namen der beiden sind auch von außen gut zu sehen. Links das Bistro, rechts das Restaurant. Hoch zur Empore mit dem herrlichen Kirchenfenster geht’s zum Bistro, wenn man reinkommt, direkt rechts, befindet sich jetzt das Restaurant. Der Garten blieb unverändert für den Sommer.
Natürlichkeit des Produkts bewahren
Ich hätte es über alle Maßen bedauert, wenn dieses Haus, dieses kulinarische Denkmal, in die falschen Hände gefallen wäre! Ich weiß von vielen Saarländern, dass sie immer wieder hierherfuhren, um die große französische Küche zu feiern. Verbunden mit dem herrlichen Gourmetmarkt in Phalsbourg etwa, immer im Dezember. Das sind Erlebnisse, von denen viele immer und immer wieder erzählen.
Bei meinem Besuch stürme ich zuerst in die Küche zum neuen Chef. Er und seine junge, ambitionierte Equipe kochen weiterhin auf Gasflammen. Es ist eine freudige, sympathische Begrüßung. Ich erzähle ihm, dass ich heute unbedingt beide Küchen kennenlernen möchte. Das sei kein Problem, sagt er. Er hoffe nur, ich habe genug Zeit mitgebracht. Dafür nehme ich mir gern alle Zeit der Welt. Philippe Jego erzählt, dass er das Haus schon lange kennt. Als er als junger Mann auf der Hotelfachschule in Straßburg war, mussten er und seine Mitstreiter auch in den großen Häusern in Frankreichs Osten Praktika machen. Dazu gehörte auch Phalsbourg. Er selbst sei nach seiner Ausbildung allerdings in Marlenheim gelandet, bei Familie Husser im „Le Cerf.“ Danach war er noch in vielen besternten und großen Häusern unterwegs – etwa im „Hexagon“ an der Côte d’Azur, aber auch im „La Petite Pierre“, in Paris, in Hayange und auch in Spanien, in der Nähe von Cádiz.
Der Sohn einer Italienerin und eines Bretonen arbeite nur mit den besten Produkten, betont Jego. Im Bistro wie im Restaurant gleichermaßen, denn er liebe sein Handwerk. „Heute lebe ich auch in meiner Küche von dem Glück, viele Große getroffen zu haben. Meine Küche ist ein Patchwork der Farben und der Aromen“, erklärt der Chefkoch. Diese vereinigt er auf seinen Tellern, damit macht er seine Gäste glücklich. Auf der riesengroßen Tafel im Bistro sind die Angebote auch unter den Bezeichnungen „Meer“ und „Erde“ zu finden.
Im Bistro stehen auf der ersten Ebene helle, einladende Holztische. Eine Ebene höher die schweren, wunderschönen Holztische des alten Restaurants. Jegos Küche ist eine Verbeugung vor der bürgerlichen Küche Frankreichs. In meinem Wohnzimmer hängt seit Jahrzehnten eine Papiertischdecke in einem Rahmen von „Chez Denise“ in Paris. Darauf ist mit wenigen Worten erklärt, was diese Hommage bedeutet. Da kann ich mich nur verbeugen!
Jegos Kochphilosophie beschränkt sich vor allem auf das Produkt, auf das Wesentliche. Traditionell im besten Sinne, mit außergewöhnlichen Kreationen, sorgfältig und besonders gut gekocht. Ich probiere im „Bistrot du Soldat“ ein Carpaccio von der Jakobsmuschel mit Trüffeln an Pfifferlingssalat. Das ist Geschmack, Geschmack, Geschmack! Danach gibt es etwas, was ich wirklich sehr mag: Förmchen mit Blätterteig, Schnecken und Champignons. Angerichtet, wie die große Trüffelsuppe von Paul Bocuse, mit Blätterteighaube. Darin in einer perfekten Sauce die fantastischen Schnecken und große und verdammt gut schmeckende Stücke Champignons. Der „Skrei mit Currycreme und Raviolis“ ist ebenfalls von meisterlicher Hand zubereitet mit einem unwiderstehlichen Curryschaum. Kalbskopf, „wie in Paris“ mit Salzkartoffeln wird in einer Pfanne serviert, deren Stil ein Eiffelturm ist. „Wie in Paris“ meint wohl unvergesslich. Und so ist er tatsächlich. Viele große Stücke Fleisch vom Kalbskopf, natürlich auch mit Fett, ein Traum.
Anschließend probiere ich einiges aus dem Restaurant „L’an 2″, etwa Hummer mit französischer Entenstopfleber, Artischocken, Paprika und Pappardelle. So schmeckt das in einem großen französischen Restaurant. Hohe Qualität, großes Handwerk! Die aufgeschäumte Sauce, auf Basis eines Hummerfonds, bringt mir der Chef in einer kleinen Kasserolle an den Platz. Am liebsten würde ich komplett reinspringen. Das ist Genuss grenzenlos. Auch die Entenstopfleber mit Mirabellenspieß ist perfekt mit lothringischer Frucht. Die geeiste Meringue mit Trüffeln, Bourbonvanilleeis, Butter und Schokoladensauce lässt mich regelrecht staunen. Ein Traum!
Hohe Qualität, großes Handwerk
Zwischendurch unterhalten wir uns immer wieder, und das sehr lange. Wie immer bei großen Köchen, sind es auch hier vor allem die perfekten Saucen, die mich verzaubern. „Meine Saucen heben das Tier hervor. Ein Jus vom Kalb muss nach Kalb schmecken“, erklärt Philippe Jego. „So ist das auch bei Taube oder Hase. Die Saucen sind kein Exzess von Rotwein oder Kräutern.“ Und so schmecke ich es auch. Neben perfektem handwerklichem Können erlebe ich Tradition und Innovation als perfekte Symphonie. Nein, Jego spielt keine Akkorde oder einzelne Töne, er haut an seinem „Piano“ – so sagen französische Köche zu ihrem Herd – richtig in die Tasten!
Übrigens, die Käse für das Haus kommen auch weiterhin vom „Käseweltmeister“ Bernard Antony aus dem elsässischen Sundgau, der viele große Restaurants auf der ganzen Welt versorgt. Den Weinservice macht hier Bryan Aubry. Ein junger, engagierter Sommelier, mit großer Freundlichkeit und immensem Wissen. Natürlich liegt der Schwerpunkt auf französischen Gewächsen. All die großen Tropfen von der Rhône, der Loire, dem Burgund und aus Bordeaux natürlich. Dazu eine tolle Champagnerkarte. Doch mir fällt seit Jahren auf, dass mittlerweile immer mehr große Restaurants unserer Region auch auf Weine der „Moselle“, Département 57, setzen. Im „La Table de L’an 2″ finde ich eine ganze Seite davon. Nicht nur vom Château de Vaux, sondern auch Maujard, Gauthier, Maranges, Oury-Schreiber aus Marieulles-Vezon, les „1000 bouteilles“. Letzteren bestelle ich auf Empfehlung von Bryan Aubry. Eine bemerkenswerte Entdeckung, denn unsere Nachbarn machen schon seit vielen Jahren gute Weine.
Mein Fazit: Lassen Sie alles stehen und liegen und fahren Sie sofort nach Phalsbourg. Hier geht es ganz ohne Frage mit dem guten Geschmack auf ganz hohem Niveau weiter!