One-Man-Show
Wie derzeit viele Restaurants hat auch das „Le Comptoir“ in Saarbrücken mit Personalmangel zu kämpfen. Doch mithilfe von Freunden und der Familie schafft es Jens Jakob, den eigentlich gut besuchten Laden am Laufen zu halten.
Mitten im Nauwieser Viertel in Saarbrücken befindet sich das Restaurant „Le Comptoir“. Hier, im Viertel, geht es bunt zu. Viele Studierende und Alternative bevölkern diesen Teil der Landeshauptstadt. Doch das „Le Comptoir“ ist schon lange Zeit Ziel all derer, die für das besondere Gourmeterlebnis etwas übrig haben.
Lange Zeit sah das Konzept so aus: Drei gestandene Köche kochten ihren Gästen etwas Besonderes aus der Feinschmeckerküche, mittags wie abends.Es gab noch nicht mal einen Spüler, das machten die Jungs selbst. Das Trio bestand aus dem langjährigen Sternekoch Jens Jakob, Peter Wirbel und David Christian. Seit ein paar Monaten ist das anders. Peter Wirbel und David Christian machten sich auf zu neuen Ufern, und Jens Jakob musste das Konzept des Hauses neu erfinden.
Kreative Lösungen in Zeiten von Personalmangel
Nach dem Weggang von Peter Wirbel und David Christian war Jakob klar, dass das Geschäft verändert werden müsse. Mittags und abends war alleine einfach nicht mehr möglich. Jakob kocht jetzt nur noch abends. Ich war in den vergangenen Wochen zweimal dort: einmal mit Freunden und einmal für FORUM. Beide Male wusste Jens Jakob so richtig zu überzeugen! Wenn man in Saarbrücken nach den besten Adressen zum Essen Ausschau hält, sollte man das „Le Comptoir“ auf jeden Fall auf dem Zettel haben.
Jakobs neues Konzept: Er kocht und Aushilfen sowie die Familie unterstützen ihn dabei. „Heute Abend sind meine Frau Michelle und eine alte Freundin da. Sie arbeiten alle auf Stundenbasis“, erzählt er bei einem meiner Besuche. „Morgens ist David Schaumberg da, mein ehemaliger Oberkellner, der auch hier im Haus gelernt hat. Danach war er in Wallerfangen bei Marc Pink und im ‚Schlossberg-Hotel‘ in Homburg. Er hilft mir jetzt morgens in der Küche, weil auch sein Leben sich verändert hat.“
Abends helfen ihm etwa Lisa Holz und seine Frau Michelle Ruffing. In diesen Zeiten muss man kreative Lösungen suchen! Manchmal hat man auch Glück. Seine Desserts produziert Andrea Scheyer. Sie tat das schon, als er noch sein Zwei-Sterne-Restaurant in der Mainzer Straße betrieb. Und so kommen für ihn trotzdem fünfmal die Woche zwölf, 13 Stunden Arbeitszeit zusammen. Denn es läuft gut. Bei meinen beiden Besuchen war der Laden jeweils ausgebucht. Aber jede Woche ist anders: „Das gelingt mir meistens, aber nicht immer. Und wenn es nicht so gelingt, bleibt auch der Dienstag zu!“
Dazu kommt bei Jens Jakob, dass er seit 13 Jahren in der beliebten Fernsehsendung „Kaffee oder Tee“ im SWR-Fernsehen kocht. Dort wird mit Vertretern aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland gekocht und gebacken. Und der Vertreter des Saarlandes ist der Küchenchef aus dem Nauwieser Viertel! Dazu macht er immer wieder Kochschule oder kocht für eine Gesellschaft zu Hause. Das Ganze muss er alles unter einen Hut bringen. Aus Zeitgründen machten wir übrigens dieses Interview in der Küche: Jens kochte und ich fragte.
So kämpft sich Jens Jakob derzeit durch die Wochen. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten möglichst alles können. Er selbst ist neben Koch auch noch Restaurantfachmann. Denn wenn keiner da ist, macht er halt alles selbst.Natürlich geht es auch um Belegung des Restaurants, Kosten und Lebensstandard. Damit muss er klarkommen. Für Gruppen ab acht Personen macht er deshalb auch gern mal mittags auf.
Das „Le Comptoir“ bietet ein Menü mit vier oder fünf Gängen an. Wir entschieden uns für fünf Gänge – und das war gut so! Die Weinkarte bietet viel Gutes, ich entschied mich durchgehend für einen Weißwein aus der Bourgogne. Doch jeder Geschmack wird hier fündig. Beim zweiten Besuch wurde der Hirsch durch Rind ersetzt. Beide Hauptgänge waren wirklich exquisit.
Spannende kreation aus Gänsestopfleber mit Schokolade
Das Menü startete mit Entenleber, Passionsfrucht und Schokolade. Auch optisch eine wundervolle Präsentation und vom Geschmack hervorragend. Die Gänsestopfleber mit einer Schicht Schokolade und Früchtebrot – ganz großes Kino! Darauf folgten Schwertfisch, Granny Smith und Sellerie. Schwertfisch spielt in der süditalienischen Küche eine große Rolle, und der Meisterkoch wusste auch mit diesem Gericht zu überzeugen. Der Schwertfisch war angerichtet mit Buttermilch und Sellerieöl. Dazu etwas Kaviar und Meerrettich als Aromaträger sowie Limette und Dill.
Es folgten gebackenes Ei, Rote Bete und Herbsttrüffel. Das war mein Lieblingsgang bei diesem Menü. Das Ei war frittiert und wachsweich, und die Herbsttrüffel brachten ganz viel Geschmack. Ich hätte es dreimal essen können. Dazu eine Beurre rouge, also eine Beurre blanc mit Rotwein. Dazu eine Reduktion mit etwas Estragon, Schalotten und Himbeeressig. Richtig toll gewürzt.
Beim Hauptgang hatten wir Hirschrücken, Rotkohlcreme, Quitte und Krokette auf den Tellern. Die Sauce war mit Wacholder gekocht. Passt! Das Rind beim zweiten Essen stammte übrigens aus Thüringen. Keine Fragen mehr!
Zur Abrundung des Ganzen gab es Nougat, Orange-Mandarine und Joghurteis. Ein gefrorenes Nougatmus im Schokoladenmantel mit Orangen-Mandarinensalat und ein Espuma dazu. Dazu Joghurteis. Es schmeckte so gut, dass ich es wie gesagt zehn Tage später nochmals goutierte. Mehr braucht man dazu nicht sagen.
Weihnachten und Silvester offen
Jeder weiß, dass die Personalsituation im Gastgewerbe derzeit nicht die beste ist. Bei einem Espresso erzählte mir Jens Jakob: „Wenn man sich die Situation an der Berufsschule anschaut, dann ist klar, dies ist kein Problem von ein paar Wochen. Dieses Problem wird uns die nächsten zehn Jahre begleiten. Anderseits werden wir mit unserer Dienstleistung mehr geschätzt. Dies bedeutet, eine gute Zeit für Restaurants in der Zukunft ist möglich. Wir können aber nicht mehr so oft öffnen. Von Gästen höre ich ja, am Wochenende in Saarbrücken essen zu gehen, ist schwierig geworden. Einerseits sind die Restaurants ausgebucht, anderseits sind sie geschlossen. Das Alte weiterzumachen, wird nicht gehen. Das Restaurantkonzept muss angepasst werden.“
Auf dem Heimweg schießen mir Gedanken durch den Kopf. Viele Gastronomen erzählten mir in letzter Zeit, viele Entscheidungen würden sie gar nicht mehr selbst treffen, sondern das Personal. Jens Jakob sagte eben noch, gottlob habe er eine Familie, die das Restaurant unterstützt. Er meinte aber auch, er habe das Gefühl, nicht mehr Chef im eigenen Restaurant zu sein. Kollegen erzählten ihm, sie müssen sonntags geschlossen bleiben, weil kein Personal komme. Das Personal bestimme heute die Öffnungszeiten. Eben meinte er noch: „Öffne ich am 25. Dezember und am 31. Dezember? Ja, nachdem ich meine Leute gefragt habe. Gott sei Dank kann ich für acht Personen meinen Laden ganz alleine machen!“
Öffnungszeiten Di. bis Sa. 18.30 bis 23.30 Uhr