Man nennt sie auch gelbes Gold: die Mirabelle. Die Frucht ist eine Unterart der Pflaume und vielseitig einsetzbar. Es gibt sie zu herzhaften Speisen und als Nachspeise. Unser Kolumnist gibt einen Überblick.
In unserer Region wird gern und viel gefeiert. Immer verbunden mit gutem Essen und Trinken. Das kann sehr unterschiedlich sein, vor Kurzem berichtete ich Ihnen an dieser Stelle vom Biosphärenfest in Kleinblittersdorf mit seinen zahlreichen Angeboten. Doch auch viele Weinmärkte und besondere Themenwochen in ausgesuchten Restaurants sind im Sommer am Start. Unsere Region hat sehr viel zu bieten, dafür bin ich dankbar! Wenn ich Inspiration brauche, gehe ich auf einen lothringischen Markt und meistens lerne ich dort etwas. Oft endete diese Erfahrung dann ein paar Tage später in einem Hofladen, einem Restaurant oder bei einem Winzer.
Lothringen ist das Mirabellenland
Ich besuche gern unsere Nachbarn. In den letzten Jahrzehnten war ich unzählige Male in Lothringen unterwegs. Es gab Zeiten, da war ich jede Woche mindestens zweimal dort. So entdeckte ich auch das Salzmuseum in Marsal. In der Saar schwimme ich am liebsten in Abreschviller. Und alle zwei Jahre besuche ich das Fest am Étang de Lindre, wenn sie die Fische aus dem See holen und zubereiten. Diesen Herbst ist es wieder so weit. Letztes Jahr war ich in Vic-sur-Seille auf dem Weinfest und berichtete darüber im FORUM. Seitdem fragen mich immer wieder Gastronomen im Saarland nach lothringischem Wein. Manche haben ihn mittlerweile auch auf ihrer Weinkarte.
Vor ein paar Wochen bekam ich aus Lothringen die Nachricht, dass ab der letzten Juliwoche 2024 die Mirabellenernte startet. Lothringen ist das Mirabellenland. Nirgendwo sonst in einer Region auf diesem Planeten wachsen so viele Mirabellen wie in Lothringen. Sie ist die Königin Lothringens, das gelbe Gold! Nahezu etwa 250.000 Mirabellenbäume stehen in dieser besonderen Landschaft Frankreichs. Mindestens 70 Prozent der weltweiten Mirabellenernte jährlich hängt an den Bäumen in Lothringen.
25.000 Mirabellenbauern, hauptberuflich und nebenberuflich, lieben hier ihre Arbeit. Im April beginnt die Blüte, im Hochsommer ist die Landschaft durch die Bäume goldgelb eingefärbt und spätestens im August ist Ernte. Von den Hängen und Hügeln Lothringens schaut man weit ins Land und sieht überall diese kultivierten Mirabellenbäume. Bis zum Horizont Weite, ein unbeschreiblicher Himmel und ein geliebtes Fleckchen Erde.
Seit dem 15. Jahrhundert werden hier Mirabellen angebaut, belegt ist dies seit 1490. Der König René von Angers – die Franzosen sagen heute noch „le bon Roi“, der gute König – brachte die Mirabellen nach Lothringen. Er importierte sie aus Asien. Der Legende nach kam er damals nach Metz und pflanzte dort die ersten Mirabellen in Lothringen. Für Lothringen steht die Mirabelle wie sonst nichts als Botschafterin. Die Mirabelle ist eine Unterart der Pflaume und wird wohl daher manchmal auch als gelbe Pflaume tituliert. Sie hat einen Durchmesser von etwa drei Zentimetern, ist gelb oder grün. Sie ist eher eiförmig, und das Fruchtfleisch schmeckt betörend gut!
Seit 1947 feiert die alte Bischofsstadt Metz im August ihr Mirabellenfest. Hier wird dann auch die jährliche Mirabellenkönigin gekrönt. Dies ist dann der Abschluss einer Zeit, die im Zeichen der Mirabelle stand. Vor Jahrzehnten war ich zum ersten Mal da und nahm mir für die Festlichkeiten ein Hotelzimmer. So erlebte ich das Treiben einige Tage.
Metz feiert seit 1947 das Mirabellenfest
2024 wird die Mirabelle von Donnerstag bis Sonntag, 22. bis 25. August, in der lothringischen Metropole gefeiert. Jährlich auch mit neuen Angeboten. So geben von Donnerstag bis Sonntag, jeweils um 18.30 Uhr, Musiker aus den Quattropole-Städten Trier, Metz, Luxemburg und Saarbrücken ein Konzert. Musik und andere Kultur wird über alle Tage geboten. Es gibt täglich einen Genuss- und Kunstmarkt von 10 Uhr bis 19 Uhr. Um 20.30 Uhr am Freitag wird dann im Arsenal Jean-Marie Rausch die neue Mirabellenkönigin gekrönt. Am Sonntag, ab 14.30 Uhr gibt es dann noch einen Wettbewerb um die beste Mirabellentarte. Organisiert von den Metzer Bäckern. Auch Angebote in der Luft und auf dem Wasser sind in diesem Jahr vorgesehen. Und noch viel mehr. Gefeiert wird an vielen Orten in der Stadt, das gesamte Programm gibt es bei der Stadt Metz.
Das Geheimnis, warum dies in Lothringen so gut klappt mit der gelben Pflaume, sind das Klima und ein kalkreicher Lehmboden. Dazu braucht der Mirabellenbauer Geduld, denn erst nach sieben Jahren trägt der Baum verwertbare Früchte. So sagen sie hier, wenn die Früchte richtig reif, goldgelb, duftend und zuckersüß sind. Viele Menschen, die Mirabellen lieben, essen sie frisch in den Obstgärten. Darauf warten viele ein ganzes Jahr. Es ist einfach ein unbeschreibliches Geschmacksgefühl, unter der dünnen Haut in das zuckersüße, wohlschmeckende Fruchtfleisch zu beißen. Ich kenne das sehr gut.
Ich fahre jetzt schon viele Jahrzehnte durch Lothringen. Wenn ich im August an einer Mirabellenplantage vorbeikomme, halte ich an. Dann nehme ich mir zwei, drei Mirabellen vom Baum und das Glück ist mein Begleiter. Anders machen es hier die Bauern. In Erntezeiten ist in Lothringen Ausnahmezustand. Was früher viele Hände schaffen mussten, leisten heute die Erntemaschinen. Zwei Greifarme rütteln heftig an den Stämmen. Ein Wimpernschlag – und die goldgelben Früchte liegen in den vorbereiteten Netzen am Boden. In guten Jahren ernten sie hier 15.000 Tonnen Mirabellen. Auf den Märkten werden sie dann als „Mirabelles de Lorraine“ verkauft. Oder am Rande der Obstplantagen im Direktverkauf angeboten.
Auf Plantagen gibt es sie im Direktverkauf
In der Mirabellenzeit gibt es in Lothringen kein Halten mehr. Mit der gesamten Kreativität des Landes werden dann Mirabellen verarbeitet. Natürlich backen viele Familien ihre Mirabellen-Tartes nach überliefertem Rezept. So, wie es Großmutter schon kannte. Doch wer in französischer Nachbarschaft aufwuchs wie ich, weiß, dass das noch lange nicht das Ende der Fahnenstange ist.
Mirabellen gibt es dann als Kompott, Konfitüre, Madeleines, Bonbons, Plätzchen, Sirup, Mirabellensaft oder als Seife, Öl und selbst als Parfüm. Und die zahlreichen Edelbrenner frohlocken. Denn sie machen Liköre und Eau de vie aus der königlichen Frucht. Im Hause Klöckner gab es sicherlich kein Weihnachtsfest der letzten 30 Jahre, an dem zum Digestif dieser Zaubertrank nicht serviert wurde. Denn im Winter gibt es in Lothringen zahlreiche Märkte, die mit besonderen Händlern glänzen. Etwa im Dezember in Metz: Dort kaufe ich immer meine zu flüssigem Gold gewordenen Mirabellen ein.
Ganz zu schweigen, was die besten Köchinnen und Köche bei unseren Nachbarn damit anstellen! Ob als Vorspeisebegleiter bis zum Dessert, die Königin schmeckt immer! Ob süß oder herzhaft, in einer montierten Sauce oder zum Hauptgang: Mirabellen können Wunder vollbringen! Da sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Mirabellenspieße zum Aperitif, Mirabellensauce zum Wild, Mirabellenschaum an einem regionalen Fischfilet wie Saibling, als Teil eines Salates oder eine Dessertvariation der Mirabelle. Selbst der deutsche Drei-Sternekoch Thomas Schanz aus Piesport an der Mosel servierte mir einst „Frikassee von gegrilltem Hummer und Kalbskopf, mit Annabelle-Kartoffeln, Minze und – Mirabellen-Hummer-Bouillon.“