Zwei Weinkenner auf besonderer Mission

Stefan Gramer und Martin Baltes haben nichts Geringeres vor, als Weinbau im Bliesgau wieder salonfähig zu machen. Einer Region, in der es diesen bereits früher gab. Wir haben uns mit ihnen getroffen und den ein oder anderen Tropfen probiert.

Heute geht es um Wein. Auf der einen Seite um einen Weinhandel mit besonderen Anspruch, „Cru Sauvage“. Anderseits um eine Passion. Denn Stefan Gramer und Martin Baltes haben eine weitere Idee: Sie wollen dem Weinanbau an der Oberen Saar wieder neues Leben einhauchen.

Ein kleine Auswahl an Weinen, die Baltes und Gramer im Weinhandel „Cru Sauvage“ vertreiben – Foto: Thomas Wieck

Die Blütezeit des Weinanbaus im Bliesgau lag im 19. Jahrhundert. In vielen Dörfern wurde hier damals Wein angebaut, von Altheim bis Wolfersheim. So ist nachzulesen, dass etwa der Ritthof in Bliesransbach im Jahre 1897 4.000 Liter Wein produzierte. Zum Erliegen kam das hier in den 30er-Jahren. Gründe waren die neuen Industriearbeitsplätze, aber auch die Kriegswirtschaft der Nazidiktatur. Dass hier Wein angebaut wurde, dies kann man bis heute noch an der Landschaft erkennen. Wenn man diese an manchen Stellen genau betrachtet, erkennt man unschwer Terrassen, die für die Weinreben angelegt waren.

Ich habe mich mit Stefan Gramer und Martin Baltes in Kleinblittersdorf verabredet – in der Rebenstraße. Der Name ist Programm, denn dort haben sie einen kleinen Wingert angelegt. Gramer: „Wenn man durch den Bliesgau fährt, erkennt man ja schnell, dass da mal Weinberge existiert haben. Man kann es auch an den Flurnamen erkennen. Vor ungefähr 15 Jahren machte ich meine erste Weinwanderung durch den Bliesgau. Ich fand dieses Thema immer interessant und fragte mich, warum der Weinbau hier verschwunden ist.“

Jetzt organisieren die beiden selbst Weinwanderungen. Vor ein paar Wochen zeigten sie einer kleinen Gruppe des Vereins „Geografie ohne Grenzen“ die historischen Orte. Essen gab es bei der Tour auch – von „Chez David“ aus Bübingen. Die beiden blicken aber auch in die Zukunft und wissen bereits, welche Reben an diesem Standort die geeignetsten wären. Diese heißen „Piwis“, pilzwiderstandsfähige Rebsorten. Die Karten stehen nicht schlecht, denn der Bliesgau ist wie das Weinanbaugebiet an der Saar ein Klimawandelgewinner. Die Sommer werden trockener und die Niederschläge extremer. Und da ist eine Dauerbegrünung durch Reben eine hilfreiche Sache. Die steigenden Temperaturen verhelfen dem Wein zu besserer Qualität. Dies lässt sich belegen, denn Hobbywinzer und kleinere Vereine bauen hier schon seit einiger Zeit Wein an. Ihre Aufzeichnungen belegen, dass die Mostgewichte gestiegen sind.

„Nur Weine kleiner und mittlerer Winzer“

Auch der Lesezeitpunkt hat sich pro Jahr immer weiter nach vorne verschoben. Martin Baltes führt ein weiteres Argument an: „Die sogenannte Geomorphologie spricht auch für den Weinanbau an Blies und Oberer Saar. Wir haben es hier vielfach mit Kalkböden zu tun. Kalk ist besonders für die Burgunderreben ideal. Also Weißburgunder, Grauburgunder, Spätburgunder.“ Dies gilt aber auch für Chardonnay. Denn auch das Burgund und die Champagne, also die Regionen, in denen diese Sorten in Frankreich angebaut werden, haben größtenteils Kalkverwitterungsböden. Und noch ein Pluspunkt: Die Biosphärenregion Bliesgau hat den Auftrag, Wirtschaftszweige zu entwickeln, die zur Biosphäre passen. Bioweinbau wäre da ein gelungener Ansatz.

Die Hobbyweinbauern im Bliesgau bevorzugen vor allem die bereits oben erwähnten „Piwis“, genauer die Sorten Regent und Phoenix. Etwa auf dem Ritthof in Bliesransbach. Allerdings gibt es auch drei Initiativen in Reinheim, die teils andere Rebsorten anbauen, etwa Sauvignon Blanc. Dabei bringen sie dort ihr Lesegut nach Rheinland-Pfalz zu einem Winzer. Dieser macht ihnen dann aus den Trauben Wein.

Aber zurück zu Stefan Gramer und Martin Baltes. Wir stehen im Wingert in Kleinblittersdorf und trinken einen französischen Wein aus dem Repertoire von „Cru Sauvage“. Beide Männer stammen aus Saarbrücken. Stefan Gramer ist hauptberuflich Musiker, hat eine klassische Ausbildung gemacht. Er war entsprechend eine Zeit lang unterwegs und lebte in Essen und Paris. Martin Baltes war ebenfalls viel unterwegs. Er lebte jahrelang im Ausland: in Nordafrika und in Frankreich. Zurzeit ist er in seinem eigentlichen Job noch beurlaubt. Denn er ist Berater der Bundesregierung für erneuerbare Energien im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit.

Da wir noch einige ihrer Weine probieren wollen, fahren wir nach Saarbrücken in die „Brasserie Terminus“. In dieser sympathischen Brasserie am Rande des St. Johanner Marktes und gegenüber dem Gerberplatz stammen die meisten Weine auf der Weinkarte von den beiden. Vor einigen Wochen beschrieb ich in FORUM das Konzept dieses Gasthauses und bestelle mir bei meinen Besuchen dort auch immer gerne einen Wein. Der Chef, Geoffroy Muller aus Saargemünd, ist nicht nur ein besonderer Koch, er arbeitete auch mal vier Jahre in einer Metzgerei. Er bringt uns hausgemachte Rillettes – ein Traum – und ein Baguette an den Tisch. Die Weinprobe kann starten.

„Wir haben nur Weine mittlerer und kleiner Winzer“, erzählt Stefan Gramer. „Manche kennen wir auch, weil wir ihnen bei der Lese geholfen haben. Unsere Idee dabei ist, Weine für den Alltag anzubieten, die trotzdem Raritäten sind. Wir vertreiben auch keine Jahrhundertweine. Unser Entwurf ist eher ein Gegenentwurf zu den Discountern.“

Sie suchen also die besonderen Alltagsweine zu einem vernünftigen Preis. In ihrem Weinangebot gibt es Tropfen zwischen 6,80 Euro und 30 Euro. Die meisten Weine liegen dabei zwischen acht und 15 Euro. Man sieht bei ihrem Angebot auch deutlich, welche Weine wie gekennzeichnet sind: Biozertifizierung, Naturwein, ohne Zusätze im Keller. Oder Weine aus pilzresistenten Reben, die somit viel weniger Spritzmittel benötigen als andere.

Broschüre zum Blieswein als Download

Die beiden lassen sich von drei Grundgedanken leiten. Qualität: Die Weine müssen ihnen selbst schmecken. Wein ist ein Genussprodukt, und wenn man ihn nicht genießen kann, sind alle anderen Kriterien hinfällig. Doch wenn jemand ein Genussprodukt macht, soll er das bitteschön in Eintracht mit der Natur machen, also zweitens im Sinne der Biodiversität und des Naturschutzes. Und drittens interessieren sie Winzer, die Weingegenden wieder aufforsten.

Den ersten Wein, den wir zusammen trinken, stammt von der Côtes du Rhône. Sein Name: La Garrigue. Eine Cuvée mit den Rebsorten Grenache, Mourvèdre und Syrah, abgefüllt exklusiv für „Cru Sauvage“. Martin Baltes kennt diesen Winzer schon viele Jahre, da er mal in Avignon lebte. Abgefüllt wird dieser Wein in Orange, gewachsen ist er im Anbaugebiet Châteauneuf-du-Pape. Da diese Trauben aber über der Mengenzulässigkeit dort liegen, heißt er nicht so. Mir schmeckt der Wein wirklich gut, ich habe ihn auch vorher schon öfter im „Terminus“ genossen.

Danach gibt es eine erneute Runde Rillettes und Baguette, ehe wir einen Riesling aus dem Weindörfchen Lieser an der Mosel kosten – von einem kleineren Weingut: Devonschiefer von Hermann Grumbach. Es ist ein schnörkelloser Wein aus der Steillage mit viel Handarbeit. Grumbach baut Riesling und Spätburgunder an. Die Spätburgunderreben hat Grumbach sich persönlich im Burgund abgeholt. Die beiden halfen dem Weingut bei der Weinlese vor ein paar Wochen und sind von der Arbeit dieses Winzers überzeugt. Ich bin auf jeden Fall von der Qualität dieses Weins überzeugt.

Martin Baltes beginnt den nächsten Wein mit dem Satz: „Man hat ja auch immer selber Lieblinge im Sortiment.“ Wir trinken einen Chardonnay aus dem Hause Clos de Rochebonne. Hier in den Monts Dorées entstand ein Wein, der mich restlos überzeugt. Vollmundig, rund, keine Säurebombe. Mit viel Geschmack nach Chardonnay. Nach einer weiteren Runde Rillettes gibt es einen roten Wein von der Loire. Aus Saint-Nicolas-de-Bourgueil: Les Rouillères. In Paris, beim Mittagessen im Bistro, trinken viele Franzosen die Roten von der Loire. In Deutschland finde ich sie nur selten auf den Weinkarten. Die Traube ist Cabernet Franc. Säurearm, fruchtig und weich. Ich liebe diese Traube. Im Aroma mit Beeren und Veilchen und einer etwas pfeffrigen Note. Auch etwas bläulich in der Farbe. Ein Wonneproppen von Wein mit nur zwölf Volumenprozent Alkohol – der richtige Wein zum Mittagessen von einem Biowinzer.

Übrigens: Vor ein paar Jahren hat der Weinfachmann und Sommelier Klaus Ruffing eine interessante Broschüre zum Thema Blieswein verfasst. Er stammte aus Blieskastel, und es lag ihm am Herzen, die Weine des Bliesgaus und deren Geschichte zu dokumentieren. Seine Broschüre war schnell vergriffen. Als er dabei war, eine zweite Auflage aufzulegen, verstarb Klaus leider viel zu früh. Sie können sich diese Broschüre aber auf www.blieswein.de selbst ausdrucken.