Gespür für gute Weine

Das Weingut Sandra Berweiler in Leiwen genießt einen guten Ruf. Zu Recht, denn die Chefin versteht es, Können und Bauchgefühl in Einklang zu bringen und kreiert damit exzellente Weine.

Gespräche mit meinem Freund Ludwin Vogel sind immer wieder erfrischend. Nicht nur ist er selbst ein hervorragender Hobbykoch, der Mann hat zudem in Trier und Bordeaux studiert. Er kennt sich also auch mit Wein hervorragend aus. Wir verabredeten vor ein paar Wochen, gemeinsam das Weingut Sandra Berweiler in Leiwen an der Mittelmosel zu besuchen.

Vater Klaus Berweiler unterstützt seine Tochter nach wie vor mit großem Engagement, etwa am Grill. – Foto: Laszlo Pinter

Schon auf der Hinfahrt erzählt mir Ludwin viel von den Weinbergen rund um Leiwen. Der Ort ist immerhin der größte Weinort an der Mosel, und von hier kommt so manches besondere Tröpfchen. Am Weingut Sandra Berweiler angekommen, sticht uns die erst kürzlich eröffnete Vinothek ins Auge. Alles in hellen Holztönen gehalten. Sehr ansprechend und ideal, um die Weine zu präsentieren.

Der gemütliche Weingarten hinter dem Haus wird vom 1. Juli bis 4. November als Straußwirtschaft betrieben, immer von donnerstags bis sonntags ab 17 Uhr. Unterstützt wird Sandra Berweiler dabei von ihren Eltern Edith und Klaus. Mutter Edith zaubert die Spezialitäten aus der Küche, Vater Klaus steht im Garten am Grill. Die Karte ist abwechslungsreich und vielfältig, reicht von Grillgerichten und ofenfrischem Flammkuchen über eingelegte Sülze mit Bratkartoffeln und Remoulade sowie mediterraner Grillfeta vom Rebholzgrill bis hin zu „Strammer Max“. An unserem Besuchstag ist der Weingarten schon früh überaus gut besetzt.

An unserem Tisch lernen wir das Ehepaar Cordula und Wolfgang Günther aus Thüringen kennen, die seit 15 Jahren ihren Sommerurlaub immer an der Mosel verbringen. Zusammen genießen wir die Spezialitäten des Hauses bei einer guten Flasche hauseigenen Weins.

Doch zurück zum Weingut selbst. Den ersten Tropfen beschreibt Ludwin Vogel so: „Der ,Leiwener Klostergarten Spätlese’ ist feinherb, kommt aus der großen Leiwener Ortslage. Mit schöner Fülle, Zitrus an Nase und Mund. Ein guter Wein zu Wiener Schnitzel. Ein Klassiker von der Mosel zum Klassiker aus Wien. Der Restzucker liegt bei etwa 20 Gramm. 2016 war ein schönes Jahr an der Mosel, dennoch musste man in der Lese den richtigen Zeitpunkt finden. Wenn das so war wie bei Sandra, gab es schöne, runde und nicht zu säurebetonte Weine“, sagt er. „Ein recht geringer Ertrag zwar, was aber der Qualität zugutekam. Erinnert mich an 2010.“

Urig und gemütlich ist die Atmosphäre der Weinstube. – Foto: Laszlo Pinter

Sandra Berweiler arbeitet mit Spontanvergärung, also nicht mit künstlicher Hefe. Meine Erfahrung dabei: Dieser Reifeprozess dauert zwar viel länger, die Weine sind aber in jedem Jahr etwas Besonderes. Und vor allem immer etwas anders. Das finde ich sehr spannend. Grundsätzlich sollte man spontan vergorene Weine erst im zweiten Jahr nach der Abfüllung trinken. Sie reifen langsam, aber entfalten dann bei guten Lagen unglaubliche, sich ständig wandelnde Aromen.

Doch wie kam Berweiler eigentlich zum Winzerberuf? „Als ich 16 Jahre alt war und mich für einen Beruf entscheiden musste, riet mir mein Vater davon ab, Winzerin zu werden. Es sei einfach zu viel und vor allem zu schwere Arbeit. Also lernte ich den Beruf der Medizinisch-Technischen Assistentin. Naturwissenschaften interessierten mich schon immer. Ich arbeitete dann in einer Klinik in Trier, und noch heute arbeite ich in diesem Beruf.“

Berweiler setzt auf Spontanvergärung

Eines Tages aber ging es ihrem Vater nicht so gut, und Sandra Berweiler musste auf dem Weingut mithelfen. Einige Jungwinzer-Kollegen halfen ihr bei der Kellerarbeit. Die Arbeit machte ihr großen Spaß, und so startete sie ihren Weg als Winzerin. Sie bekam die Chance, beim großen Heinz Schmitt ein Praktikum zu machen. Dieser begeisterte damals viele Weinkenner mit seinen großartigen Weinen. Leider verstarb er 2010 viel zu früh bei einem Unfall im Weinberg. Berweiler: „Ich machte ein einjähriges Praktikum bei ihm, habe im Keller gearbeitet, im Weinberg und im Verkauf. Bei ihm konnte ich über den Tellerrand schauen, habe viel Neues bei ihm gesehen.“ 2001 machte sie dann ihren ersten eigenen Wein: „Sandras Riesling“. Sie brachte Trauben aus einem Weinberg von Berweilers in den Keller von Heinz Schmitt. Dort wurden diese vergoren, gekeltert, vorgeklärt und abgefüllt. Nach dem Praktikum kam sie zurück ins elterliche Weingut und durfte loslegen. Immer mit Unterstützung ihrer Eltern – bis heute. Vater Klaus organisiert noch immer den Weinberg, Sandra arbeitet im Keller, und Mutter Edith kümmert sich um die Gastronomie. Klare Aufgabenteilung verhindert auch Konflikte.

Ludwin Vogel präsentiert zwischendurch den nächsten Wein: „,Sandras Riesling’, Spätlese trocken und halbtrocken. Ein Brot- und Butter-Wein. Ein Verschnitt mit dem Löwenanteil Neumagener Rosengärtchen. Die floralen Aromen von Rosen und Veilchen kommen raus; aber nicht so dominant, da er mit anderen Lagen verschnitten ist. Trocken oder halbtrocken ist Geschmackssache. Ein Wein für jede Gelegenheit, zum einfach Trinken und als Essensbegleiter. Er passt zu Fisch, Schweinefleisch und Schweinenacken vom Grill. Bodenständig und doch elegant.“

Die Gäste können den Wein im Weingarten und der Weinstube verkosten oder für zu Hause kaufen. – Foto: Laszlo Pinter

Ja, so habe ich Sandra Berweilers Weine an diesem Abend erlebt: filigran, trotzdem mit Körper, elegant und weiblich. Für die Bordeaux-Kenner: wie die älteren Jahrgänge von Comtesse de Lalande. Etwa 1982.

Im Weinkeller lässt sie sich von ihrem Geschmack und ihrem Bauchgefühl leiten. „Wichtig war mir von Anfang an die Spontanvergärung, also mit natürlichen Hefen zu arbeiten. Das dauert manchmal bis in den April hinein. Damit erhalte ich aber eine große Aromenvielfalt und eine sehr schöne Gärungskohlensäure im Wein. Somit arbeite ich auch viel besser den einzelnen Charakter unterschiedlicher Lagen heraus. Wir haben den grauen Schiefer in Pölich, den blauen Schiefer in Neumagen und den roten Schiefer in Schweich. Da wir als wichtigste Rebsorte den Riesling an der Mosel haben, können wir zeigen, dass diese Rebe in unterschiedlichen Lagen sehr facettenreich und unterschiedlich schmecken kann.“

Wichtig dabei ist auch, die Gärung nicht aufgrund der Werte zu stoppen. Dafür hat sie ja ihr Bauchgefühl. Die Trauben dürfen vor allem nicht zu früh geerntet werden, sie brauchen eine gute physiologische Reifung am Stock. Dadurch haben sie vielfältige Aromen. Auch einige kühle Nächte im Herbst tun dem Riesling gut. Das macht die Aromatik intensiver und bringt eine natürliche, dezente Säure.

Ludwin hat derweil eine weitere Flasche angeschleppt und erklärt: „‚Pölicher Held‘, uralte, wurzelechte Reben aus einer sehr guten Steillage. Der 2016er ist ein Meisterwerk der Spontanvergärung. Im zweiten Jahr nach der Abfüllung offenbart er wunderbare florale Aromen, Blauschiefer und Grauwacken, aber eine unendliche Mineralität und schon in der Nase Anklänge an Orangenschalen und Mandarinen. Wunderbar!“

Die Weine von Sandra Berweiler brauchen Zeit. Manche Reben sind ja auch schon mehr als 80 Jahre alt. Doch wenn man diesem Wein Zeit gibt, wird er ein ganz besonderes Geschmackerlebnis. Und Sandra Berweiler hat ein Gespür und ein Händchen für richtig große Weine …