Winzer Markus Molitor zählt zu den Großen seiner Zunft. Immer wieder gelingt es ihm, außergewöhnliche Weine auszubauen, selbst in vermeintlich schlechten Jahren. Spurensuche nach den Geheimnissen seines Erfolgs.
Heute möchte ich der Sache auf den Grund gehen, warum in Jahrgängen, in denen andere keine gute Qualität erzielen, die großen Winzer es trotzdem oftmals schaffen, gute bis sehr gute Weine zu machen. 2003 etwa war ein solcher Jahrgang, denn der Sommer davor war extrem heiß. Ich sitze mit Markus Molitor in seinem renovierten Weingut zusammen. Ende des 19. Jahrhunderts als Weingut errichtet und 1984 von ihm erworben, erstrahlt das Anwesen nach umfangreichen Renovierungsarbeiten heute in neuem Glanz. Auf den Jahrgang 2003 angesprochen, sagt Molitor: „Das war ein ganz besonderer Jahrgang, denn von den Jahresdurchschnittstemperaturen hatten wir hier Mittelmeerklima. Ein sehr trockener Sommer, mit extrem heißen Temperaturen. Vergleichbar nur mit den Jahren 1976, 1959, 1949 und 1921. Also nichts, was es nicht schon einmal gegeben hätte, aber selten eben.“
Allerdings dürfe man bei solch einem Jahrgang nicht nach Standard mit dem Wein umgehen. „Man muss sich auf solch einen Jahrgang einstellen“, betont Molitor. „Wir unterscheiden zwischen Zuckerreife eines Jahrgangs und physiologischer, innerer Reife. Die Zuckerreife ist dann oft sehr hoch, aber die physiologische Reife eben nicht“, betont er. Als Winzer habe man zwei Möglichkeiten: „Entweder Sie ernten in diesem Zustand, dann haben Sie grünere Noten, unreifere Trauben, weil der Alkohol schon bei 13, 14 Prozent ist. Oder Sie warten, bis die Trauben wirklich reif sind, dann ist der Alkohol um 15 Prozent und mehr, also nicht mehr wirklich trinkbar. Das ist eine absolute Gratwanderung und normalerweise eine Problematik der südlicheren Regionen.“
Die Öchslegrade bei diesem Jahrgang seien bereits sehr früh sehr hoch gewesen. Doch die Beeren waren noch fest, die Schalen hart, die Kerne grün. Also hatte die Traube im September noch nicht ihre volle physiologische Reife erreicht. Man konnte sie nicht ernten. „Ich habe sehr lange mit der Ernte gewartet“, betont Molitor. Wenn ein Jahrgang trocken sei, habe man in der Regel weniger Extrakte in den Weinen. „Auch wenn die Säure niedriger ist, so schmeckt sie in solchen Jahrgängen nach viel mehr, als in normalen Jahrgängen. Das Messen, also Gramm pro Liter, ist ein Wert. Es fragt aber nie jemand, wie liegt denn der pH-Wert oder wie sind denn die Extrakte?“ 2010 etwa habe man auch sehr hohe Extraktwerte gehabt, damit aber auch hohe Kaliumwerte. Und das Kalium puffere die Säure. „Die Säure ist analytisch zwar sehr hoch, sie ist aber nicht grün oder unreif. Die pH-Werte sind hoch, es fragt nie einer, ist es Apfelsäure oder Weinsäure? Die ist von Natur aus drin. Deshalb war 2003 schon vorher klar, dass die Extrakte nicht ganz so hoch sein werden wie bei einem normalen Jahrgang. Mit anderen Worten, die Säure würde präsenter schmecken als sonst.“
Dazu kam, dass die Weine dieses Jahrgangs von Natur aus sehr opulent waren, erklärt der Winzer. „Ich habe meine 2003er Weine, im Gegensatz zu sämtlichen Regeln, sehr lange auf der Maische stehen lassen. Wenn die Trauben reif und die Kerne braun sind, dann kann man das machen. Der Saft zieht dann viel Aromatik und Struktur aus der Beerenschale. Und das brauchten meiner Meinung die Weine des Jahrgangs 2003, weil die Säure etwas zarter war, doch haben die Weine positive Tannine bekommen. Wie bei einem Rotwein. Sie bekamen so Rückgrat und Struktur.“
Das Problem vieler Winzer bei diesem Jahrgang: Die Alkoholwerte waren exorbitant hoch, die Weine hatten nicht die innere Kraft, um diesen Alkohol zu tragen. „Als zweites kommt hinzu, dass man es 2003 das erste Mal in Deutschland erlaubt hat, Säure hinzuzugeben. In der neuen Welt ist das üblich, das müssen sie dort jedes Jahr machen, aber bei uns war dies das erste Mal, und die Winzer hatten keine Erfahrung damit“, betont Molitor. „Die Fachstellen sagten: Man nehme ein, zwei Gramm auf den Saft und später nochmals ein Gramm auf den Wein. Und viele machten dies, ohne jegliche Erfahrung. Im Dezember hieß es dann, macht mal langsam, denn die Säure schmeckt präsenter als die Zahl es sagt. Wenn man sich damit allerdings beschäftigt, ich habe es ja eben erklärt, weiß man das vorher. Dann gab es abschreckende Beispiele von ‚gesäuerten Weinen‘, wo die Säure aber neben dem Wein gestanden hat.“
Doch Molitor hat ganz klassisch ausgebaut. „Die Weine sind sehr lange im Keller vergoren, wurden sehr lange auf der Hefe gelassen. Als wir den Wein dann im Oktober 2004 beziehungsweise im Frühjahr 2005 auf den Markt gebracht haben, wollte aber keiner mehr den Jahrgang haben. Der war ja mittlerweile schon runtergeredet. So ein toller Jahrgang, kein Klassiker, wie andere Jahrgänge, aber etwas ganz Besonderes! Die wenigen Weine, die wir aus 1959 noch trinken durften, das sind auch die Highlights, die aufgehoben wurden. Auch in diesem Jahr gab es viele Weine, die zu viel Alkohol hatten. Die Guten 1959 waren allerdings grandios, und so ist das auch mit 2003!“
Sammlung außergewöhnlicher Weinlagen
Qualität setzt sich eben durch, und auf die legt Molitor Wert. In Bernkastel gibt es die legendäre Spitzenlage „Bernkasteler Doktor“, die auch von der Größe sehr begrenzt ist. Die gehört vier Besitzern, seit ewig! Der Weinberg mit dem teuersten Einheitswert wurde 1899 zu 100 Goldmark verkauft, eine unvorstellbar hohe Summe damals. Die Heilig-Geist-Stiftung besitzt zwei Parzellen dort. Diese kann man auch nicht kaufen, sie bleiben bei der Stiftung. Doch die Verpachtung dieser zwei Parzellen wird alle neun Jahre versteigert. Die Pacht ist sehr hoch. Im vorigen Winter wurden sie neu verpachtet. Thomas Haag und Markus Molitor bekamen den Zuschlag. Seine große Sammlung außergewöhnlicher Weinlagen an Saar und Mosel hat jetzt für die nächsten neun Jahre eine ganz besondere hinzubekommen.
Gemacht wird dieser Wein aus uralten, wurzelechten Rebstöcken, die also nicht wie üblich auf reblaus-resistente, amerikanische Wurzeln gepfropft sind. Molitors Erfolg spricht für sich. Heute besitzt er Teile aus allen Toplagen der Mittelmosel, von Ürzig, Zeltingen, Erden, Bernkasteler Lay; Bernkasteler Graben, Bernkasteler Badstube, Wehlen bis Brauneberg. Und viele mehr…
Rolf Klöckner ist Ehrenmitglied des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften. Entscheidend für die Ernennung waren seine langjährigen und erfolgreichen Bemühungen, Kindern das Kochen als grundlegende Kulturtechnik zu vermitteln.
Zur Person:
Nachdem Daniel Kiowski nun mehr als sechs Jahre im „Victor’s Fine Dining by Christian Bau“ zum Ruhm dieses großen Restaurants beigetragen hat, wechselt er ab dem 1. April 2016 ins Weingut Markus Molitor. Ein Botschafter des Rieslings. Kiowski, der nicht wie andere seine Kompetenz nur aus dem Restaurant und aus dessen Weinkeller bekommen hat, sondern der selber in den langen Jahren, bevor er zum großen Sommelier aufstieg, bei einem badischen Winzer gearbeitet hatte, zieht es zurück in ein Weingut. Als „Sommelier des Jahres 2015“ wird er nun eine neue Aufgabe übernehmen, um eines der bedeutendsten deutschen Weingüter zu repräsentieren.
INFO:
Weingut Markus Molitor
Haus Klosterberg 1
54470 Bernkastel-Wehlen
www.markusmolitor.com
Die Vinothek ist für spontane
Besuche von Montag bis Freitag von 10 Uhr bis 18 Uhr geöffnet.