Hülsenfrüchte spielen eine zunehmend wichtigere Rolle, um die Zukunft unserer Ernährung zu sichern. Da passt es perfekt, dass Slow Food Saarland und mehrere Restaurants ab Mitte Februar für zwei Wochen mit den Saarländischen Hülsenfrüchtewochen einen Schwerpunkt legen.
Vom 18. Februar bis zum 3. März dieses Jahres veranstaltet Slow Food Saarland wieder die Saarländischen Hülsenfrüchtewochen. In dieser Zeit können Gäste in den unten aufgeführten Restaurants besondere Kreationen goutieren. Von mir gibt es an dieser Stelle erstmal ein deutliches Lob an Slow Food, denn während andere die richtige Ernährung noch suchen, organisiert Slow Food mehrere Male im Jahr solche Wochen mit regionalen, oft auch in Vergessenheit geratenen Lebensmitteln. Bravo! Lange hatten Hülsenfrüchte das Image altbackener Lebensmittel und führten ein Schattendasein. Dabei machen die kleinen Multitalente nicht nur gut und günstig satt, sondern stecken voller gesunder Inhaltstoffe und sind äußerst vielseitig einsetzbar. Daher werden sie auch gern in der Vollwertküche eingesetzt, und längst hat die Gastronomie ihr Potenzial wiederentdeckt und viele kreative Rezepte entwickelt.
Ob auf dem Feld, in der eigenen Küche oder in der Gastronomie: Hülsenfrüchte spielen eine zunehmend wichtigere Rolle, um die Zukunft unserer Ernährung zu sichern. Sie haben einen geringen ökologischen Fußabdruck, unterstützen die Bodenfruchtbarkeit und haben das Potenzial, Verbraucher für eine pflanzenbetonte Küche zu begeistern.
Eiweißhaltig wie ein Steak
Das ist der Grund, warum Slowfood Saarland sich immer wieder für getrocknete Bohnen, Erbsen, Linsen, Lupinen und Kichererbsen starkmacht und 2024 zum bereits neunten Mal zusammen mit ausgewählten Gastronomen die fast schon legendär gewordenen Hülsenfrüchtewochen veranstaltet und schon heute dazu einladen möchte.
Der Vorsitzende Holger Gettmann rüttelt wach: „Für uns sind Erbse, Bohne und Co. wichtige Verbündete für die Ernährungswende und für die Bewältigung anhaltender Krisen wie Klimawandel und Biodiversitätsverlust.“ Was den Eiweißgehalt betrifft, können Hülsenfrüchte es locker mit einem Steak aufnehmen. Das macht sie nicht nur für Vegetarier zum idealen Fleischersatz. Kein anderes Gemüse oder Getreide enthält so viel kraftspendendes Eiweiß wie Hülsenfrüchte. In der getrockneten Variante beträgt der Eiweißgehalt zwischen 20 und 35 Prozent. In Kombination mit anderen pflanzlichen Eiweißquellen wie Getreide wird das Eiweiß der Hülsenfrüchte aufgewertet und der Körper kann es besonders gut verwerten.
Schon bei den Bauern der Steinzeit waren Linsen Begleiter der Menschen. Die enorm nährstoffreichen Linsen sind wahre Proteinbomben. Ohne sie wären die neolithische, keltische, alemannische und auch südwestdeutsche Küche nicht denkbar. Eine Hauptnahrungsquelle der Menschheit. Sie bereiteten die Linsen mit Getreide oder als Gemüse zu. Seit der Jungsteinzeit steht Lens culinaris, die Küchenlinse, ganz oben auf der Speisekarte. Im Südwesten Deutschlands galten sie früher als ein Arme-Leute-Essen. Die Linse hatte besondere Vorteile, denn sie war lagerfähig, sehr sättigend und vor allem preiswert. Eintopf mit Linsen, Ackerbohnen, Speck, Spelzgerste oder Ur-Dinkel war schon damals sehr beliebt.
„Die Linse, allgemein bekannt und eine sehr beliebte Kochfrucht, wird in Deutschland doch nur in geringer Ausdehnung und in mehreren Gegenden gar nicht gebaut, hauptsächlich wegen der unsicheren und geringen Erträge“, schrieb der Agrarschriftsteller Alexander von Lengerke im Jahr 1840. Im Jahr 2016 erklärten die Vereinten Nationen das „Jahr der Hülsenfrüchte“. Grund: Sie sind ein entscheidender Faktor im Kampf gegen Mangelernährung. Sie sind nährstoffreich, können sehr einfach angebaut werden und kommen mit unterschiedlichen Böden klar. Sie sind klimaschonend und bieten vielen Insekten eine Nahrungsquelle.
Anbau von Linsen in Mischkultur
Bei mir liegt ab den Frühlingsmonaten immer ein Kochbuch in der Küche – ein bestimmtes, seit Jahrzehnten: „Meine provenzalische Gemüseküche“, erschienen im Mosaik-Verlag. Geschrieben hat es der Drei-Sterne-Koch Roger Vergé. Sein Restaurant „Le Moulin des Mougins“ (Die Mühle von Mougins) oberhalb der Stadt Cannes war weltberühmt. Er selbst ist schon lange in Rente. Im Garten seiner Mühle baute er Gemüse und Kräuter an. Dies hatte er von seinem Vater gelernt, denn dieser war von Beruf Gärtner. Auch Gärtnern war eine große Leidenschaft von ihm, nicht nur kochen. Im Vorwort schreibt er: „Wann immer ich Gemüse sehe, kann ich nicht daran vorbeigehen. Meist koste ich schon davon, wenn ich es putze, oder auch vorher schon im Garten, wenn ich an einer roten Tomate vorbeikomme. Oft fällt mir ein, dass das Radieschenbeet gejätet werden muss, oder ich prüfe die Größe der Erbsen.“ Wenn ich dann über Märkte schlendere und die große Auswahl sehe, wird Roger Vergé zu meinem Begleiter in der Küche. Ich liebe dieses Kochbuch so sehr, dass ich mich dann ausschließlich von dem ernähre, was der Garten so anbietet. Neudeutsch bin ich wohl ein „Flexitarier“.
Zurück zum eigentlichen Thema. Seit mehr als zehn Jahren setzen sich Patric Bies und Jörg Hector von der Bliesgau Ölmühle für den Anbau von Hülsenfrüchten im Saarland ein, vor allem für Linsen und Erbsen. Die Beschäftigung mit den Früchtchen begann, weil sie schon seit Jahren Leindotter anbauten, aus dem dann das bekannte „Speiseöl der Kelten“ gewonnen wird. Gleichzeitig können Linsen aber nicht alleine wachsen und bedürfen einer Stütze. Da lag es auf der Hand, den Anbau von Leindotter mit Linsen zu kombinieren. Es eignen sich aber auch Hafer und Gerste als Gemischpartner für Linsen.
Kichererbsen als nächstes Projekt
War es anfangs nur ein Landwirt im Bliesgau, der dem Ruf der Linsen folgte, sind es heute schon fünf Landwirte, die sich liebevoll um das Gedeihen von grünen, schwarzen, roten sowie Berg- und Hellerlinsen kümmern. Inzwischen sind noch trockene Spalt-Erbsen hinzugekommen. Für beide Ölmüller steht das Saarland in einer langen Hülsenfrüchtetradition. Schon vor 2.000 Jahren verzehrten die römischen Saarländer Linsen und Erbsen, aber auch Ackerbohnen. Dies belegen archäologische Ausgrabungen in gallo-römischen Siedlungen. Ein historisches Zinsregister der Herrschaft Dagstuhl listet im Jahr 1731 Erbsen und Linsen auf. Nicht anders im Bliesgau, wo der Linsenanbau vor 1786 ebenso belegt ist wie von der Anbau von Erbsen.
Patric Bies hat noch weitere Pläne: „Im laufenden Jahr hoffen wir, auch Kichererbsen mit ins Programm aufnehmen zu können. Gleichzeitig halten wir die Augen nach weiteren anbaufähigen Pflanzen offen. Fernziel ist es auch, Bohnen von den Feldern zu ernten, womit wir allen Wünschen nach ausgewogener und regionaler Ernährung Rechnung tragen und das Saarland zu einer Modellregion für Hülsenfrüchte entwickeln.“
Ich möchte anregen, dass sich noch viel mehr Restaurants darüber Gedanken machen und diese Initiative von Slow Food Saarland als Ideengeber begreifen. Denn letztlich schmeckt es verdammt gut und ist sehr gesund!
Teilnehmende Restaurants:
„Bellevue“, Blieskastel-Biesingen www.bellevue-biesingen.de
„Cafe Restaurant Kostbar“, Saarbrücken, www.cafekostbar.de
„Gräfinthaler Hof“, Mandelbachtal www.graefinthaler-hof.de
„Unter der Linde“, Saarbrücken, unterderlin.de
„Noa Restaurant & Loungebar”, Zweibrücken, www.noa-zweibruecken.de
„Wern’s Mühle“, Fürth im Ostertal, www.werns-muehle.de
„Chef kocht“, Homburg, www.chef-kocht.de
„Landgasthof Paulus“, Sitzerath, www.landgasthof-paulus.de
„Landhaus Spanier“, Otzenhausen, www.landhaus-spanier.de
„Landgasthof Wintringer Hof“, Bliesransbach, www.landgasthaus.saarland
„Gasthaus im Panzhaus“, Greimerath, www.panzhaus.de
„Midi Restaurant & Markt”, St. Ingbert, www.midi-restaurant.de
„Gasthaus Rech“, Eppelborn, www.gasthaus-rech.de
Weiter nehmen teil: „Martinshof Stadtladen“, Saarbrücken sowie die Kantine der Justizvollzugsanstalt Ottweiler