Die staatliche französische Eisenbahngesellschaft SNCF hat in ihren großen Bahnhöfen eine kulinarische Offensive gestartet. In Metz konnten sie dafür den Starkoch Michel Roth gewinnen, dessen Kunst nun die Gäste des „Les Terroirs de Lorraine“ begeistert.
Im Spätherbst vergangenen Jahres erreichte mich die Nachricht, dass der weltberühmte lothringische Koch Michel Roth im Metzer Bahnhof Anfang Dezember ein Bistro eröffne. Roth hat eine einmalige Kochkarriere hingelegt. Er stammt aus Hambach, machte seine Lehre in Saargemünd. Dann ging er nach Paris und eroberte die Kochwelt. Ein befreundeter lothringischer Koch von mir, Alain Freymann vom „Le Villageois“ in Grundviller, fuhr zur Eröffnung. Doch bereits nach 20 Minuten fuhr er wieder zurück. Das Lokal war hoffnungslos überlaufen, er sah keine Chance, auch nur ansatzweise mit Michel Roth zu reden …
Als ich mich mit der Thematik etwas näher beschäftigte, hörte ich, dass die SNCF eine große Initiative gestartet hatte. Das Ziel: Sterneköchen die Gastronomie von französischen Bahnhöfen schmackhaft zu machen. Reisende sollen schon bei einem Aufenthalt im Bahnhof merken, was große französische Küche bedeutet. Jahrelang schwärmten Reisende ja vom „Le Train Bleu“, dem schönsten Bahnhofrestaurant der Welt im Gare de Lyon in Paris.
Nun zeigen sich erste Erfolge dieser Initiative. Michel Roth hat im Metzer Bahnhof übernommen, Thierry Marx die „Étoile du Nord“ im Pariser Nordbahnhof, Eric Frechon in der Pariser Gare de Saint-Lazare. Weitere werden folgen. Also schauen Sie genau hin, wenn Sie in Zukunft auf einem französischen Bahnhof einen längeren Aufenthalt haben …
Dabei ist der Metzer Bahnhof schon ein besonderes Prunkstück. 2017 wurde er zum schönsten Bahnhof Frankreichs gewählt. Gebaut wurde er vom Berliner Architekten Jürgen Kröger. Damals stand Metz unter deutscher Verwaltung und wurde auf Anweisung von Kaiser Wilhelm II. konstruiert. Dies geschah von 1905 bis 1908. Der 300 Meter lange Bahnhof beherbergt heute Wohnungen, Empfangspavillons, Diensträume, Galerien und Geschäfte. Vor 30 Jahren gab es noch einen „Salle Paul Verlaine“. Benannt nach dem Schriftsteller und berühmtesten Sohn der Stadt. Diesen gibt es heute nicht mehr, sattdessen die regionale lothringische Küche von Michel Roth.
Seit 2017 schönster Bahnhof Frankreichs
Dieser hat in den vergangenen Jahren viele Projekte gestemmt. Knapp 20 Jahre war er für die Küche des „Ritz“ in Paris verantwortlich, seit fünf Jahren ist er Küchendirektor in der Schweiz, im „Hotel President Wilson“ in Genf. Dort ist er für drei Restaurants verantwortlich, die auf höchstem Niveau kochen. Auch Air France, das Sternerestaurant „Lasserre“ in Paris, „Délifrance“ und viele andere Firmen suchen oder suchten seinen Rat. Er hat unzählige Auszeichnungen im Land des guten Geschmacks bekommen, die Liste ist schier und reicht bis zum höchsten Titel, den ein französischer Koch verliehen bekommen kann: „Meilleur Ouvrier de France 1991″. Im gleichen Jahr wurde er mit dem „Bocuse d’Or“ ausgezeichnet. Natürlich ist er auch „Ritter der Ehrenlegion“ und war jahrelang Vorsitzender der Vereinigung „Bocuse d’Or“ – von Meister Paul Bocuse persönlich ausgewählt. Mehr Ehre für einen Koch in Frankreich geht nicht.
Die Karte im „Les terroirs de Lorraine“ hat Michael Roth zusammengestellt. Sein Statthalter in Metz ist der 52-jährige Xavier Pauly. Er stammt aus Saint-Avold. Seine Familie betrieb jahrelang das hochdekorierte Restaurant „Neptun“. Doch er wollte das Restaurant um die Jahrtausendwende nicht weiterführen. Ihn zog es über den großen Teich in die Vereinigten Staaten. Dort arbeitete er in verschiedenen Restaurants der höchsten Kategorien und in unterschiedlichen Städten – von Chicago bis New York. Michel Roth begeisterte ihn für das Projekt in Metz, und Xavier Pauly sagte zu.
Alle Gerichte tragen die Signatur Michel Roths, der Meister ist leider nur selten da. Was war aber die Motivation von Roth, zurück ins heimatliche Lothringen zu kommen? Es ist eine Reise zurück zu den Wurzeln. Er präsentiert hier eine regionale und kreative Küche, deren Ursprünge im Familienrestaurant in Hambach und im „Charrue d’or“ in Saargemünd liegen.
Der Bahnhof in Metz ist für Pauly das Symbol einer Rückkehr. Vollgeladen mit vielen Geschichten. Hier möchte er die Vielfältigkeit der lothringischen Küchen präsentieren. Mit seiner Mannschaft hat er einfache, aber wohlschmeckende Gerichte entwickelt. Und da es die „eine“ lothringische Küche nicht gibt, hat er Rezepte aus allen Landesteilen zusammengetragen – nach Jahreszeiten, mit den besten Produkten. Der Bahnhof ist für ihn der Eintritt in die kulinarische Welt Lothringens mit all ihren vielfältigen Geschmacksnuancen. Ein Ort der Verlässlichkeit, für die, die kommen und die, die weiterfahren. Ein Ort, der auch das Tor zur Stadt bedeutet. Dort, wo sich die Feinschmecker etwa auf dem Markt treffen, um einmalige Produkte einzukaufen.
Unterschiedliche Karten für den Mittag und für den Abend
Die Saarbrücker Volkshochschule bietet seit Jahren einen Kurs an, in dem die Teilnehmer Samstagmorgens nach Metz fahren. Dort kaufen sie Köstlichkeiten auf dem Markt ein und fahren zurück nach Saarbrücken, um sie in der Küche der VHS zuzubereiten.
Anfangs hatte ich auch etwas gestutzt, als ich las „Les Terroirs de Lorraine“ und nicht „Le terroir de Lorraine“, also Plural statt Singular. Doch es ist eigentlich sehr logisch. Lothringen besteht aus drei Departements: Meurthe et Moselle, Moselle und Vosges. Dies bedeutet, Lothringen zieht sich vom Dreiländereck im Norden bis weit in den Süden in die Vogesen mit dem Zentrum Épinal. Und ich bin in den vergangenen 30 Jahren nirgendwo öfters rumgekurvt als in Lothringen. Natürlich gibt es Gerichte, die überall serviert werden. Doch im Norden und Osten ist die Küche geprägt von Menschen, die unter Tage oder in großen Industriehallen schwer arbeiten mussten. Wer an die lothringische Seenplatte fährt, freut sich über die zahlreichen wohlschmeckenden Fischgerichte. In den Vogesen gibt es nicht nur Wild, auch köstliche Aufläufe und Käsegerichte. In der Gegend um Phalsbourg – dort, wo sich Lothringen und das Elsass näherkommen – gibt es wieder ganz andere Spezialitäten. Nancy ist die Hauptstadt – nicht nur der Bergamotte-Bonbons. Diese Frucht wurde irgendwann in dieser Gegend heimisch, sie stammt aus Italien, und zahlreiche Küchenchefs bereiten mit Bergamotte herrliche Rezepturen zu. Diese Liste lässt sich endlos weiter führen …
Im Metzer Bahnhof gibt es zwei Speisekarten: mittags etwas kleiner, abends etwas feiner. Etwa am Mittag eine Quiche mosellane oder ein Forellentartar als Vorspeise,
darauf folgt ein Lothringer Eintopf oder Fish und Chips vom Barsch. Als Dessert stehen ein Tagesdessert oder ein Metzer Schokoladenkuchen zur Auswahl. Dieses Menü wechselt von Zeit zu Zeit. Beachten Sie auch die Spezialitäten, die auf den Tafeln angezeigt werden. Übrigens finden sich auch auf der Weinkarte Kreszenzen aus Lothringen.
Abends gibt es neben À-la-carte-Gerichten wahlweise ein Menü mit vier oder sechs Gängen. Dazu bietet das Haus eine adäquate Weinbegleitung an.
Für meine nächste Tour nach Metz nehme ich den Zug. Das ist ja nur ein Katzensprung.
Info
Les Terroirs de Lorraine
3 Place du Général de Gaulle
57000 Metz, Frankreich
Telefon (0033)-387666403
Täglich von 11.30 bis 21.30 Uhr
www.terroirsdelorraine.com