Lieferant der Besten Köche: Der Meister des Käses

Wenn in Feinschmeckerkreisen der Name Bernard Antony fällt, geraten die meisten Gourmets sofort ins Schwärmen und bekommen glänzende Augen. Der Franzose gilt als berühmtester Maître fromager affineur der Welt. Wir haben ihn in seinem Zuhause in Vieux-Ferrette besucht.

In den besten Restaurants der Welt und an den Tafeln erlesener Kunden finden sich die Käsesorten aus Vieux-Ferrette, einem kleinen Dorf im Sundgau im Dreiländereck Frankreich-Schweiz-Deutschland. „Deutschland ist der größte Kunde, den wir haben“, erzählt Bernard Antony. „Und natürlich haben wir viele Kunden in Frankreich, vor allem Paris, die großen Küchenchefs dort. Alain Ducasse, Alain Passard und Pierre Gegnaire. Ich habe die Ehre, diese Persönlichkeiten zu beliefern.“ Aber auch in England, Spanien und Österreich sitzen seine Kunden. Er liefert in die Schweiz, den Libanon und an die Elfenbeinküste, sogar nach Asien, nach Hongkong, Singapur und Macao. „Wir sind nur ein kleiner Betrieb mit sieben Personen. Das alles schaffen wir nur Dank unserer herausragenden Mitarbeiter“, betont Antony.

Antonys Welt ist die des Rohmilchkäses. – Foto: Laszlo Pinter

Er hat dieses Käseparadies aus der Wiege gehoben, doch längst leitet sein Sohn Jean-François den Betrieb. Grandseigneur Bernard Antony hat schon lange einen weiteren Job: Er ist weltweit als Käsebotschafter unterwegs und immer auf Achse.

Familie Antony produziert aber nicht nur für exquisite Restaurants, in seinem kleinen Käseladen in Vieux-Ferrette kann jeder veredelten Käse einkaufen. Sechs Tage die Woche ist geöffnet, nur sonntags ist Ruhetag. Schweizer, Deutsche und Franzosen kaufen hier ihren Käse, stehen manchmal bis auf die Straße. Natürlich gibt es hier auch das beste Brot aus Paris, von der Bäckerei Poilâne. Angefangen hat Bernard Antony ganz klein. Er stand mit seinem Käsewagen in der Region auf den Märkten. Bis heute schickt er seine Mitarbeiter auf diese regionalen Märkte.

Viele Kunden in aller Welt

Antonys Welt ist die des Rohmilchkäses. Er bezieht ihn von kleinen Bauern aus ganz Frankreich, aus der Schweiz und aus England. Unter seiner fachkundigen Hand werden diese Käse dann zum kulinarischen Glück eines jeden Feinschmeckers. Er umsorgt seine Käse, pflegt sie mit Wasser oder Salz, manchmal auch mit einem Marc de Bourgogne. Bis sie den richtigen Reifegrad haben. Dann verkauft er sie.

In der Auslage lagern Käsesorten, die jedem Genießer das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. – Foto: Laszlo Pinter

Diese Käse haben mit den üblichen Käsen der Lebensmittelindustrie nichts zu tun. Sie unterscheiden sich in etwa so, wie die Musik von Beethoven mit der von kleinen Musiksternchen. Eine eigene Welt. In welchen Dimensionen der Sundgauer Käsemeister sich bewegt, sei allen, die ihn nicht kennen, mit ein paar Beispielen erklärt. Es kann sehr gut sein, dass ein Hubschrauber über dem verschlafenen Örtchen auftaucht und neben dem Haus landet. Dann haben sie in Paris wieder mehr Käse gegessen als geplant. Wenn im englischen Königshaus Käse serviert wird, stammt er wahrscheinlich aus Vieux-Ferrette. Ebenso am Hof in Monte Carlo. Oder wenn Sie in den beiden Drei-Sterne-Restaurants im Saarland Käse bestellen, werden Ihnen Christian Bau und Klaus Erfort die Käse des Meisters servieren. Diese Liste könnte ich jetzt noch seitenlang fortführen. Wo es das Beste an Essen und Trinken gibt, gibt es meistens den Käse aus dem Hause Antony. Nicht von ungefähr gilt er als berühmtester Maître fromager affineur der Welt.

Als die EU vor ein paar Jahren den Rohmilchkäse abschaffen wollte, hatte sie die Rechnung ohne Bernard Antony gemacht. Dieser schlug Alarm, und viele seiner langjährigen Kunden standen auf der Matte. Allen voran Prinz Charles, der den EU-Bürokraten daraufhin einen sechs Seiten langen Brief schrieb. Der Käsemeister erzählt stolz: „Seine Hoheit Prinz Charles hat den schönsten Brief zur Verteidigung des Rohmilchkäses geschrieben. Danach gab es eine Konferenz in Paris. Nach dieser Konferenz habe ich unseren damaligen Präsidenten Giscard D’Estaing angefragt, ob er sich für den Rohmilchkäse engagieren würde. Er tat dies auch zusammen mit seiner Hoheit Otto von Habsburg. Auch viele andere Minister taten das. Und alle Innungen Frankreichs natürlich. Auch aus Deutschland kam Hilfe. Von Helmut Schmidt in dieser Zeit. Und von Stuttgarts Oberbürgermeister Rommel.“

Kampf für den Rohmilchkäse

Bernard Antonys Haus in Vieux-Ferrette – Foto: Laszlo Pinter

Käse ist für Bernard Antony Leidenschaft – und hat nichts mit den Produkten der großen Industrie zu tun. Er erinnert sich an ein Gespräch mit einem großen Käseproduzenten aus Bayern: „Ich wollte sie einst bekehren. Ich sagte zu ihnen: Sie haben doch eine so schöne Landschaft in Bayern. So schönes Gras, so schöne Kühe. Warum machen Sie keinen guten Käse?“ Natürlich ist es viel einfacher, pasteurisierten Käse herzustellen. Verkürzt gesagt: oben die Milch in die Maschine rein, das Programm starten, und unten kommt der Käse verpackt heraus.

Doch das ist nicht die Welt von Bernard Antony. Er hat immer darauf geachtet, nicht zu groß zu werden. „Wenn Du zu groß wirst, musst Du immer Kompromisse machen. Dann musst Du kaufen, was es an Käse gibt. Und nicht unbedingt den Besten. Ich habe keine Käse vom Pariser Großmarkt Rungis. Ich arbeite nicht mit den großen Kooperativen zusammen. Dann könnte ich nicht mehr so arbeiten, wie ich es will. Ich müsste arbeiten, wie die anderen wollen.“ In seinem Käsegeschäft liegt alles in der Theke, was der echte Käseliebhaber so sucht. Rechts davon ist eine Weinstube. Dort hält Familie Antony zahlreiche edle Tropfen vorrätig. Einige auch unter eigenem Etikett. Ein Muscat etwa oder ein Pinot Auxerrois, Vielle Vigne, abgefüllt bei Paul Blanck im benachbarten Kientzheim. Linker Hand des kleinen Käseladens liegt die Probierstube. Hier können Interessierte an der Käsezermonie des Meisters teilnehmen und jede Menge über Käse lernen. Immer von donnerstags bis samstags oder auf Vorbestellung ab zwölf Personen auf Termin. Bis Februar sind die Käsezeremonien allerdings bereits ausgebucht.

Wir betreten den Raum. Links hinter der Bank stehen einige Bücher. Er greift ins Regal und zieht ein Kochbuch von Christian Bau heraus. Er zeigt mir eine persönliche Widmung des Meisterkochs und sagt: „Es ist ein großes Glück solche Kunden zu haben. Christian Bau, Klaus Erfort oder Harald Wohlfarth. Ich habe tatsächlich Abnehmer in der ganzen Welt. Aber ausgerechnet im Elsass sind es die wenigsten.“ Zwar verkauft er seine Produkte auch dort in großen Häusern. Aber nicht überall, wo ich es vermutet hätte. „Aber mein Freund Georges-Victor Schmitt vom ,Le Soldat de L’an 2‘ hat Ihre Käse“, werfe ich ein. „Natürlich! Ein wunderbares Haus. Ein toller Chef. Er hat auch einen außergewöhnlichen Weinkeller. Seine Gänseleber ist eine der besten. Und seine Zimmer sind außergewöhnlich“, erzählt er freudig.

Natürlich bin ich nicht nur zum Reden hier, wir probieren auch einige Käse von ihm. Um sie zu beschreiben, reicht ein einziges Wort: himmlisch!

Tunnel für Lagerung gekauft

Dazu gibt es auch einen herausragenden Riesling der Domaine Weinbach. Ein Prost auf Madame Colette Faller, die uns – ebenso wie ihre Tochter Laurence – viel zu früh verlassen hat. Heute leitet Tochter Cathérine das weltberühmte Weingut. Zwei Bilder von ihr hängen im Geschäft. Neben Alain Ducasse und anderen herausragenden Persönlichkeiten. Hier sind die Wände tapeziert mit den Größten aus der Welt des guten Geschmacks. Als Gastgeschenk habe ich Bernard Antony einige Flaschen Riesling von der Saar mitgebracht. Er greift die Flasche von Van Volxem und sagt: „Vor Kurzem hatten wir in Paris bei einer Weinverprobung einen Riesling von ihm als Pirat. (Anmerk. d. Red: Ein Pirat ist ein Wein, der bei einer Weinverprobung nicht aus der Gegend stammt, aus der die anderen kommen.) Der Wein kam sehr gut an.“

Der Käse nimmt auch an den Wänden in Antonys Haus viel Platz ein. – Foto: Laszlo Pinter

Am Tag meines Besuches kam eine Käselieferung aus Korsika. Ein wunderbares Terroir! Übrigens mag Bernard Antony nur naturreine Käse. Ohne Chichi, ohne Chutneys, Knoblauch, Pfeffer und so. Seine Käse sollen mit einem herausragenden Eigengeschmack überzeugen. Es gibt eine Ausnahme: der Käse eines kleinen Bauernhofes auf Korsika. Dieser wird traditionell in aromatischen Kräutern gewälzt.

Wie wird man eigentlich Lieferant von Antony? Meist nehmen Vater oder Sohn telefonisch Kontakt auf und bitten um eine Lieferung. Immer mit Rechnung, darauf legen sie Wert. Wenn alles passt, vor allem Qualität und Menge, kommt man ins Geschäft. „Unsere Käse werden von kleinen handwerklichen Betrieben gemacht. Deshalb muss auch die Menge stimmen. Wir brauchen ja keine zwei, drei Käse, sondern ein paar Kilo. Wir kaufen – wenn Qualität und Menge stimmen – gerne auch die gesamte Käseproduktion auf“, klärt mich Frankreichs Käsebotschafter auf.

Wenn der Käse bei sechs Grad im Kühlwagen ankommt, wird er zunächst in einem zehn Grad Celsius warmem Raum zwischengelagert, damit er sich akklimatisieren kann. Käse mag die Temperatur von sechs Grad nicht so, aber Vorschrift ist eben Vorschrift. Anschließend kommt er in den Reifekeller. Manche Käse, Ziegenkäse etwa, reifen hier zwischen vier Wochen und drei, vier Monaten. Die Hartkäse – etwa Schafskäse wie „Tomme de Brebis“ – bis 18 Monate. Die großen „Räder“ des „Comté“ aus dem Franche-Comté sogar bis zu dreieinhalb Jahre. Klaus Erfort bestellt etwa immer den ganz Alten. Der lag dann vier Jahre im Keller, wie Antony erläutert.

Ob kreisförmig, quadratisch, kugel- oder kegelförmig – die Käse von Bernard Antony sind allesamt kulinarische Meisterwerke und ihren Preis wert. – Foto: Laszlo Pinter

Der Meister lagert seine verschiedenen Käse nicht nur in den Reifekammern seines Hauses in Vieux-Ferrette. Der „Comté“, dieser herrlich nussig schmeckende Hartkäse aus dem Jura, ruht etwa zum großen Teil im Fort Saint-Antoine, einer leer stehenden Festung aus dem 16. Jahrhundert im Département Doubs. Die gewölbten Gänge aus Bruchstein dort verfügen über die optimalen Voraussetzungen für die allerbesten („Grand Cru“) Rohmilchkäse. Hunderte von Käsen liegen dort. Auch in der Auvergne lagern Käse, etwa „Cantal“ oder „Foume de Cantal“. Bernard Antony erzählt: „Früher gab es dort zahlreiche Bahnlinien. Die alten Tunnel wurden 1890 oder 1900 gebaut. Ein optimaler Ort, um Käse zu lagern. Einige Käsereien haben solche Tunnel gemietet. Ich habe meinen Tunnel gekauft.“ Wenn ein Käse aus ist, gibt es auch keinen mehr.

Wir gehen durch die Reifekammern. Der Meister erzählt, dass nicht jeder Käse mit einem andern zusammenliegen kann. Da helfe nur Erfahrung. Ich bin sehr beeindruckt, mit welcher Akribie hier gearbeitet wird. Und für die Zukunft ist das Haus auch hervorragend aufgestellt. Ein großer Küchenchef habe ihm gesagt: „Du bist gut, dein Sohn ist noch besser“, erzählt er lächelnd. Was für ein Kompliment für die Zukunft!