Vincent Klink ist mehr als nur ein herausragender Koch. Er ist auch ein beachtlicher Musiker und zudem erfolgreicher Buchautor. Wir haben den Fernsehkoch in seinem Restaurant „Wielandshöhe“ in Stuttgart besucht.
Mit meinem Freund Oliver Strauch gehe ich sehr gerne essen. Oliver ist Professor an der Hochschule für Musik in Saarbrücken. Vor ein paar Wochen kam uns die Idee, unsere beiden großen Leidenschaften – kulinarischer und musikalischer Genuss – zu verbinden. Wir beschlossen, zu Vincent Klink nach Stuttgart zu fahren.
Vincent Klink ist Koch, Musiker, Verleger, Autor, Mahner. Ein Besonnener, ein Philosoph. Mit dem Zug geht’s von Saarbrücken nach Stuttgart, dann mit der U-Bahn zum Marienplatz. Dort schlendern wir an einem sonnigen Septembermorgen über den beschaulichen Markt. Mit der Berg- und Talbahn geht’s weiter zur „Wielandshöhe“, ins Universum der Familie Klink. Neben dem Meisterkoch sind seine Ehefrau und seine Tochter die Garanten dafür, dass in der abwechslungsreichen Welt von Vincent Klink alles wie am Schnürchen läuft.
Vincent Klink ist einer von nur zwei, drei Fernsehköchen, die es schaffen, dass ich immer wieder ihre Sendungen anschalte. Keiner mit „Showeffekten“, keiner, der Kochen als Unterhaltungsware versteht. Doch Klink ist mehr als „nur“ Koch. Auch in der Jazzszene hat er sich einen Namen gemacht, spielt mehrere Blasinstrumente. Im vergangenen Jahr traf ich Ulrich Röser, der unter anderem bei Udo Lindenberg die Posaune spielt. Wie Klink stammt auch er aus Stuttgart und war voll des Lobes über gemeinsame Auftritte mit dem musikalischen Koch. Die CD „Stupor Mundi“, die Vincent Klink mit dem Jazzpianisten Patrick Bebelaar aufnahm, erhielt 2015 sogar den Preis der Deutschen Schallplattenkritik. Oliver Strauch will ihn nächstes Jahr ins Saarland holen. Wäre schön, wenn das klappt.
Die Muse ist Klink täglich wichtig
Zudem hat Klink zahlreiche Bücher geschrieben. Seine bislang letzte Veröffentlichung „Ein Bauch spaziert durch Paris“ war mein unterhaltsamer und lehrreicher Begleiter in den Weihnachtsferien im vorigen Jahr. Doch auch seine anderen Werke haben durchaus Aufsehen erregt – nicht nur bei Genussmenschen. „Grundzüge des gastronomischen Anstands“ etwa oder „Essen und trinken mit Poesie“ seien beispielhaft genannt.
Sein Tag beginnt morgens um 6 Uhr mit den schönsten drei Stunden des Tages, wie er sagt. Denn er beginnt den Tag mit Musik. „Die senile Bettflucht, die man in meinem Alter hat, hat auch ihre Vorteile“, lacht der 68-Jährige. „Ich hab einen tollen Stuhl, so einen Dirigentenstuhl, da setze ich mich drauf. Links steht die Kaffeemaschine, rechts davon die Basstrompete im Ständer. Dann fange ich mit dem Mundstück an, trinke nebenbei Kaffee. Ich möchte nämlich nicht, dass der Kaffee in der Trompete landet. Diese Zeremonie mit dem Üben dauert dann drei Stunden. Anfangs fiel mir das schwer, heute ist es aber ein Bedürfnis“, erzählt er. Deshalb verreise er auch nicht mehr. „Wenn ich verreise, bin ich nicht glücklich. Warum soll ich mir das dann antun? Morgens habe ich meine Ruhe, das gefällt mir sehr. Um 9 Uhr bin ich dann in der Küche, nach dem Mittagessen mache ich Mittagsschlaf. Anschließend ist Teatime, dann wird geschrieben. Bis um 18 Uhr. Eine Stunde später bin ich dann wieder in die Küche. Ich muss mich dann nicht tot schaffen. Mittlerweile ist meine Rolle eher die eines Fußballtrainers.“
Woran er gerade arbeite, wollen wir wissen. „Ein Buch ist gerade fertig geworden – ,Rezepte gegen Liebeskummer‘ heißt es und erscheint jetzt zur Buchmesse. Ich will da jemanden retten, der will sich gerade aus dem Fenster stürzen. Ich sage: ‚Ey, wir kochen jetzt erst mal einen Reisbrei! Und zwar keinen normalen, sondern einen hammermäßig guten. Dann hauen wir uns den Wanst voll. Und wenn du dich dann immer noch aus dem Fenster stürzen willst, dann mach es.‘“ Zudem arbeitet er an einem weiteren Buch über Wien. „In Frankreich gibt es ja die Grande Cuisine, die aus der Monarchie kommt. Das gleiche gab es auch in Wien. Österreich war ja damals viel größer als Frankreich, mit Böhmen, Mähren, Ungarn, dem halben Balkan. All diese Einflüsse sind ja in die Küche der Donau-Monarchie eingeflossen. Auf diesen Spuren wandle ich in diesem Buch. Aber auch auf den Spuren der Kultur, der Kunst.“
Ich habe selten einen Mann erlebt, der schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel hat, aber so „jung“ denkt. Doch nun – in Gedenken an Wolfram Siebecks Lieblingsspruch – „Herr Ober, die Karte bitte!“ Mittags gibt es auf der „Wielandshöhe“ ein Menü, abends mehrere. Zur Auswahl finden wir hausgebeizten Lachs oder Krustenpastete vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein mit Waldorfsalat, eine Pfifferlings-Velouté, gebratenes Filet von der Würzbachtal-Forelle mit Schönbuch-Linsen oder Rücken und Keule vom bayerischen Reh mit Wacholderrahmsoße und Dinkelspätzle sowie Tarte und Sorbet von der Cedri-Zitrone. Ich nahm aber nochmals die Karte zur Hand und stöberte ein wenig. Ich lese „Herz-Leber-Lunge vom Stauffer Milchkalb“. „Oliver, das habe ich seit Jahren auf keiner Karte gefunden, wir müssen umbauen“, sage ich zum Schlagzeuger. Kurzes Nicken. Lächeln. Gerne hätte ich die Krustenpastete goutiert, aber heute nicht. Es war etwa Besonderes, ein Gericht zu essen, von welchem ich seit meiner Kindheit geprägt bin. Hervorragend. Dazu nahmen wir natürlich regionale Weine. Von Albrecht Schwegler einen Saphir. Ein Württemberger Cuvée aus den Trauben Zweigelt und Syrah. Einen Lemberger von Karl Händle. Auch aus dem Ländle. Und zum Dessert einen Riesling von Michel aus Morstein. Rheinhessen. Alle Weine tadellos gut, mein Favorit ist der Saphir!
„Ich koche all das, was es hier gibt“
Doch was ist das Besondere in diesem Haus? Vincent Klink fährt eine ganz klare Linie: „Ich komme von hier. Auf dem Boden stehe ich. Ich koche, was es hier gibt. Wenn es in vier Wochen keine Tomaten mehr gibt, dann gibt es keine Tomaten. Wir haben aber so viele Produkte in Deutschland, gerade hier in Süddeutschland, dass man die Küche sehr interessant gestalten kann. Man muss sich nur Gedanken machen. Und eigenartigerweise ist da sehr viel Vegetarisches dabei. Das hat eine Geschichte. Früher gab es nicht jeden Tag Fleisch. Da gab es etwa einen Sauerkrautstrudel und viele andere schwäbische Interpretationen.“ Ich hake ein: „Ich habe zu Hause ein Kochbuch von Roger Vergé. ‚Meine provenzalische Gemüseküche‘. Wenn dieses Buch in der Küche liegt, koche ich daraus tagelang. Nicht bewusst vegetarisch. Einfach nur fein.“ Er stimmt mir zu: „Den habe ich noch persönlich kennengelernt, den Roger Vergé. Genau so muss es sein.“
Logisch muss es sein, betont er, nicht ideologisch. Genau mein Wetter. Klink verwendet auch nur ganze Tiere. „Gestern kam ein Kalb. Da müssen wir uns etwas einfallen lassen, bis zu einem Hackbraten der Luxusklasse, den man aber als Hackbraten nicht erkennt. Wir haben jetzt Kalbszunge, Leber, Nierchen. Dann gibt es sowas zwei, drei Tage! Mittlerweile haben wir auf der ‚Wielandshöhe‘ eine Pilgerkundschaft für Innereien. Auf der anderen Seite sind ein Viertel der Gerichte fleischlos. Ich koche nicht vegetarisch, ich koche alles, wie meine Vorfahren. Nur zeitgemäß.“
Restaurant Wielandshöhe
Alte Weinsteige 71
70597 Stuttgart
Telefon 0711-6408848
www.wielandshoehe.de
Geschlossen: So. und Mo.