Ein sonniger Frühlingstag in Lothringen. Er ist zu Besuch in seiner Heimat, bei seiner Familie. Hier am Hambacher Weiher herrscht an diesem Samstagnachmittag Ruhe pur. Das Lothringer Land, welches ich auch so liebe, zeigt sich von seiner schönsten Seite.
Das passt, denn heute treffe ich einen der berühmtesten Köche der Welt, ein kulinarischer Botschafter Frankreichs: Michel Roth. Er ist heute da, um am Abend für ein Mädchen aus Saargemünd zu kochen, die Geld für eine Operation braucht. Mit Unterstützung Saargemünder Freunde, ob Musikerin oder Küchenchef!
20 Jahre war er für die Küche des weltberühmten Ritz in Paris verantwortlich. Seit zwei Jahren hat er seine Zelte am Genfer See aufgeschlagen. Er hat alle Auszeichnungen in der Kochbranche bekommen, ist natürlich auch „ Ritter der Ehrenlegion“ und heute Vorsitzender der Vereinigung „Bocuse d’Or“. Von Meister Paul Bocuse persönlich ausgewählt. Mehr Ehre für einen Koch in Frankreich geht nicht!
Welche seiner zahlreichen Auszeichnungen bedeutet ihm wohl am Meisten? Dazu kommt ein klares Statement: „Alle meine Auszeichnungen sind wichtig und bedeuten mir viel! Doch, wenn ich eine hervorheben soll, dann den Bocuse d´Or. Es ist ein Internationaler Wettbewerb und man tritt nicht für sich selber an, sondern für sein Land. Wie bei den Olympischen Spielen. Als ich gewonnen hatte und die Marseillaise gespielt wurde, war ich sehr stolz. Das war nicht für mich, das war für Frankreich, die ganze Mannschaft, für meine Ausbilder und meine Familie. Das war mir sehr wichtig!“
Am ersten September 2012 übernahm Michel Roth die Küchen der Restaurants im Hotel President Wilson als kulinarischer Direktor. Als Chef ist er verantwortlich für das Restaurant
Bayview, das Umami, die Glow Bar und die Pool Bar, sowie für alle anderen gastronomischen Herausforderungen des Hauses. Schon im ersten Jahr seiner Tätigkeit wurde das Bayview mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Bei 180 Zimmern und 48 Luxussuiten eine große Herausforderung.
Wir sitzen im Restaurant seiner Nichte, Eliane Roth, im Hotel-Restaurant Saint-Hubert. Der 55jährige wirkt jünger, sehr bescheiden und unaufgeregt. Lächelnd setzt er sich mit mir an einen Tisch. Bei einem Glas Wein. Eigentlich wollte er Polizeikommissar werden. So, wie Kommissar Poirot oder Fußballprofi! Doch es kam anders. Die Atmosphäre in der Küche seiner Mutter gefiel ihm. Er erinnert sich: „ Die Stimmung in der Küche meiner Mutter gefiel mir gut. Dort war immer eine lustige Atmosphäre. Das machte mir Spaß. Ich schälte dann das Gemüse, entkernte die Mirabellen. Dafür danke ich ihr, das motivierte mich.“
Kurz darauf entschied sein Vater, dass er Koch werden wird. Sein Vater hatte einen Freund, Monsieur Charles Herman, der zu dieser Zeit der Betreiber des berühmten Restaurants „ la Charrue d´Or“ in Saargemünd war. Nach Charles Herman ist heute auch die Kochschule in Saargemünd benannt. Dort lernte er dann das harte Leben in einer Profiküche kennen. Er hatte es sich so nicht vorgestellt, doch er biss sich durch.
Der weltberühmte Koch ist dankbar: „Ich ahnte nicht, wie schwer dieser Beruf ist. Damals hat auch der Bruder von Lydia Egloff in der Küche gearbeitet und Lydia Egloff von der „Bonne Auberge“ in Stiring-Wendel arbeitete im Service. Später kam auch ihre Schwester Isabelle noch dazu. Das war eine tolle Zusammenarbeit! Vor ein paar Jahren ging ich dahin zurück, um in diesem Restaurant einen Film zu drehen. Jean-Luc Petitrenaud merkte, wie wichtig mir meine Liebe zu Lothringen und zu diesem Haus sind!“
Herman schickte ihn, nach seinen ersten Auszeichnungen, als Finalist zum besten Lehrling Frankreichs und einer Auszeichnung, die er in Saarbrücken bekam, nach Paris. Denn 1977 bekam er in Saarbrücken auf der Messe „ Eurogast“ eine Goldmedaille. Dies habe ihn ungeheuer motiviert, meint er. Der Meisterkoch: „ Für mich war die Auszeichnung in Saarbrücken sowas wie ein Auslöser. Ich war 17 Jahre. Es war die Bestätigung der Entscheidung, alles zu geben, um ein großer Koch zu werden.“
In Paris traf er dann auf den großen Küchenchef Guy Legay. Vielleicht der breiten Öffentlichkeit nicht so bekannt, in Fachkreisen aber ein Denkmal! Michel Roth: „ Ich fuhr mit meinem Bruder, der leider viel zu früh verstarb, nach Paris. Ich stand vor dem großen Küchenchef, 1,90 Meter, mit einem blau-weiß-roten Band um den Hals, was ich vorher noch nie sah. Wir waren sehr beeindruckt, wurden von dem Meisterkoch freundlich empfangen. Ich wurde Praktikant bei ihm im „ Ledoyen“, da keine Stelle frei war.“
Kurz später wurde bei Legay eine Stelle frei und Michel Roth blieb 20 Jahre an der Seite des Meisters. Der Chefkoch wechselte dann zusammen mit Michel Roth vom „Ledoyen“ ins „Ritz“. Dorthin nahm er die Besten aus seiner Brigade mit, der Junge aus Lothringen gehörte dazu! Mit seinem alten Chef telefoniert er heute noch wöchentlich.
Die Geschichte im Restaurant l`Espandon, das ist das Restaurant des Hotel Ritz an der Place Vendôme in Paris, ging für ihn erfolgreich weiter.1992 wurde er dort Küchenchef, wechselte dann 1999 ins Sterne-Haus „Lasserre“. Doch 2001 ging er zurück und erkochte sich in diesem Nobelrestaurant 2009 den zweiten Stern. Bis zur Schließung der Küche dort, wegen Totalrenovierung am 1.August 2012, blieb er dort Küchendirektor.
Je länger wir zusammen sitzen, desto deutlicher merke ich seine Verbundenheit mit dem Lothringer Land. Er hat hier seine Wurzeln, hier ist er zuhause. Ein Tag nach diesem Treffen klingelt bei mir zuhause das Telefon. Alain Freymann, der Koch des „ Villageois“ in Grundviller ist dran und berichtet mir, dass Michel Roth heute Abend bei ihm zum Essen da ist. Bei Freymann gibt es eine lothringische Landküche, comme il faut…das gefällt dem berühmten Koch. Die Küche seiner Heimat zu genießen, wie er sie von seiner Familie kennt! Michel Roth ist nicht nur einer der Größten seiner Zunft, er ist ein ganz normaler Mensch, ohne Allüren, geblieben. Alain Freymann:
„ Michel Roth ist ein Lothringer Junge. Ein ganz normaler Mann, der seine Heimat liebt. Ich habe großen Respekt vor ihm und sage: Chapeau!“
Ein paar Tage später komme ich ins Gespräch über ihn mit Cyrille Faivre, vom „ Le Comtois“, an der Saarbrücker Johanniskirche. Dieser arbeitete früher mal in einem Saarbrücker Edelbistro. Er erinnert sich auch in den höchsten Tönen an den großen Chef: „Eines Tages kam Michel Roth zu uns. Er ist ein bodenständiger Mensch, ein ganz großer Meister seines Faches. Er bedankte sich bei mir, ich sagte, ich gehe mal in die Küche, mich bei meiner Brigade bedanken. Er sagte, Nein, ich gehe zu den Jungs!“
Die Betreiber des Hotel President Wilson in Genf waren Stammgäste im Ritz und machten ihm ein Angebot nach Genf zu kommen. Er war sich schnell einig mit den Schweizern: „Viele Leute sagen, er ist jetzt in Genf mit einem großen Sack voll Geld! Nein, das war nicht der Grund. Die Besitzer mochten meine Küche im Ritz. Sie waren oft da. Ich habe mir das in Genf dann angeschaut, die Aufgabe hat mir gut gefallen. Es herrscht eine familiäre Atmosphäre dort, ich mag dieses
Familiengefühl. Modern und doch nicht ganz modern. Der Besitzer ließ mir alle Freiheiten, ich bin so motiviert dort, als wäre es mein eigenes Hotel.“
Dort dirigiert er jetzt verschiedene Restaurants und Bars. Der Kunde kann dort essen in einem libanesischen Restaurant, Arabesque, Umami, ein neues Konzept mit asiatischen Einflüssen und dem Sternerestaurant Bayview. Banketts und Room-Service selbstverständlich auch.
Ich frage ihn: „ Wie haben Sie sich entwickelt, nachdem Sie als Botschafter Frankreichs die ganze Welt gesehen und Ihr Land weltweit vertreten haben?“ Der Weltenbummler antwortet: „ Interessant finde ich die Interpretation der Küchen verschiedener Kontinente. Im Umami haben wir ein ganz besonderes Konzept entwickelt. Die Vorstellung der Kulturen, von Frankreich etwa oder ganz Europas und den Küchen Asiens. Mir gefällt das sehr gut, auch meiner rechten Hand, der mit einer Japanerin verheiratet ist. Ich bewundere, wie die Asiaten mit ihren Produkten umgehen. Sie haben ein unerschöpfliches Reservoir an Produkten und kochen so natürlich.“
Die Gemeinschaft der Menschen, die diese Küche in Asien goutieren, die Abwechslung, die auf vielen kleinen Tellern gereicht wird, hat ihn auf seinen Reisen inspiriert: das Essen als ein soziales Erlebnis zu feiern, der Respekt vor der Qualität und des natürlichen Kochens der Produkte. Dabei will er keine Verschmelzung, also nicht euroasiatisch, sondern kocht mit dem Respekt vor den Küchen verschiedener Erdteile.
Am Ende komme ich dann noch kurz auf das Thema Geld. Denn überall kann man lesen, Michel Roth sei der reichste Koch der Welt. Was mich nicht besonders interessiert, aber die Leute wohl! Er stellt gleich fest: „ Ich habe noch nie etwas in meinem Beruf, des Geldes wegen gemacht. Ich stand immer für eine
außergewöhnliche Küche und wollte den Menschen eine Freude machen mit meiner Kochkunst. Die Menschen stehen in meinem Focus!“
Ob Air France, Délifrance oder viele andere Firmen, sie suchen seinen Rat und bezahlen ihn gut dafür.
Wir verabschieden uns, es war ein beeindruckender Nachmittag! Er fragt mich: „ Wie weit ist es von hier bis Nennig? Christian Bau kocht doch dort auch mit asiatischen Einflüssen. Seine Küche würde mich mal interessieren!“
Ich sag ihm, es sind noch keine 80 Kilometer und ich würde ihn das nächste Mal hinbringen. Er lächelt und antwortet: „ Kommen Sie doch mal zuerst nach Genf! Ich koche Ihnen was!“
Bilder von seinen Kreationen, vor allem sehr beeindruckend aus dem Restaurant Umami, bekommen Sie sicherlich vom Hotel President Wilson.
Michel Roths Auszeichnungen:
- 1977 : 1er prix Médaille d’or Exposition Eurogast Sarrebruck (Allemagne)
- 1977 : Finaliste du meilleur Apprenti Ouvrier de France
- 1977 : Premier au cap de la Moselle
- 1978 : Grand prix spécial Exposition Gastrolor à Metz
- 1980 : Cinquantenaire des Expositions françaises à Paris
- 1980 : 1er prix des moins de 25 ans, plats chauds
- 1980 : Médaille Antonin Carême
- 1985 : 1er prix Taittinger
- 1986 : 1er prix Auguste Escoffier
- 1991 : Bocuse d’or
- 1991 : Meilleur ouvrier de France
- 1997 : Médaillé de la ville de Paris
- 2000 : Officier du Mérite Agricole
- 2003 : Chevalier dans l’Ordre national du Mérite[3]
- 2006 : Chevalier de la Légion d’honneur[4]
- 2007 : Palmes académiques
Hotel President Wilson,
47, Quai Wilson,
1211 Genf, Schweiz
Tél: +41 22 906 66 66
www.hotelpresidentwilson.com/