Prachtbau an der Alster

Das Hotel Atlantic, 1909 als Grand Hotel für Passagiere von Luxuslinern eröffnet, beherbergt heute illustre Gäste wie Udo Lindenberg. Grund genug für FORUM-Autor Rolf Klöckner, einen Ausflug in die frisch renovierte, altehrwürdige hanseatische Gastlichkeit zu machen.

James Halligan ist seit 30 Jahren Barkeeper, davon 15 im Palast der ehemaligen Hamburg-Amerika-Linie, dem Grand Hotel Atlantic in Hamburg. Er erzählt in sehr sympathischer Art und Weise, wie Deutschrocker Udo Lindenberg an dieser Bar auf die Idee kam, „Likörelle“ zu malen – Bilder mit farbigem Alkohol. „Ich war dabei an jenem Abend, als er sein Malprojekt angefangen hat. Das war hier am Tresen, genau an dem Platz, wo Sie jetzt sitzen. Er saß hier, da kam jemand vorbei und wollte ein Autogramm, das machte er sofort. Dann fing er an zu malen. Er hatte ein großes Blatt Papier vor sich, ein Glas Wasser und es standen mehrere ‚bunte Getränke‘ da. In Blau, Rot und Gelb.

Bilder von Udo Lindenberg hängen im ganzen Haus

Aus Spaß hat er die unterschiedlichen Farben in sein Bild integriert. Es war spontan, er hatte nicht daran geglaubt, dass das was wird. Doch heute macht er Ausstellungen, und seine Bilder hängen nicht nur hier in der Bar, im ganzen Hotel hängen sie und kosten viele Tausend Euro. Er macht das heute noch spontan, inspiriert durch Gäste oder Situationen. Daraus entstand eine Kunstrichtung.“

Ich gehe nebenan in den Rauchersalon, um eine Zigarre, einen doppelten Espresso und einen alten Brandy zu nehmen. Dort sitzt er, Udo Lindenberg, und bearbeitet seine Fanpost. Der „Panikrocker“ wohnt seit 1995 bereits im Hotel Atlantic in einer Präsidenten-Suite.

Königlich im Freien speisen: Das strahlend weiße Atrium gilt als Geheimtipp, um den Sommer in Hamburg zu genießen.
Königlich im Freien speisen: Das strahlend weiße Atrium gilt als Geheimtipp, um den Sommer in Hamburg zu genießen.

Während der Umbauphase ist Udo allerdings in ein benachbartes Hotel geflüchtet. Im Dezember zieht er ins vertraute Atlantic zurück. Denn nach über zwölfmonatiger Kernsanierung präsentiert sich das Hotel Atlantic Kempinski in Hamburg seit Mai 2011 mit den ersten 131 komplett restaurierten Zimmern und Suiten. Als Reminiszenz an Hamburg als „Tor zur Welt“ und an die über 100-jährige Geschichte des Hauses als Grand Hotel für Passagiere der legendären Transatlantik-Luxusliner wurden die neuen Zimmer in vier unterschiedlichen Dekorwelten gestaltet – angelehnt an Farben und Elemente aus den herausragenden Stilepochen der vier großen Kontinente: Afrika, Europa, Amerika und Asien.

So trifft in der ersten Etage klassisches Grand-Hotel-Ambiente auf die Farben der Wüste und die stilvolle Eleganz der berühmten afrikanischen Luxuszüge. In der zweiten Etage entführt elegantes Blau mit glänzenden Silberornamenten auf kostbarem Brokat in die opulente Welt der Belle Époque Europas. Eine Etage darüber erinnern kräftige Violett-Kombinationen und großflächige geometrische Muster an die schlichte Eleganz des Art Déco im Amerika der 30er Jahre. Und im vierten Stock betören edle Seidenstoffe in den leuchtenden Rot-Gold-Tönen Asiens, kombiniert mit schwarzglänzenden Muranoglas-Kronleuchtern, die Sinne.

Großzügige Bäder aus italienischem Marmor mit separater Dusche und Badewanne, durchdachte technische Details wie iPod-Docking-Stations, die wahrscheinlich leiseste Klimaanlage der Welt, WLAN, Flatscreen und modernste Soundsysteme runden die Wohlfühlatmosphäre ab.

Ein wahres Kleinod für Hamburg-Liebhaber sind die neuen Alster-Zimmer: Mit ihren raumhohen Fenstern Richtung Alster und Innenstadt bieten sie einen der schönsten Ausblicke der Stadt. Absolute Privatsphäre und Wohnkultur auf höchstem Niveau versprechen auch die bis dato fertiggestellten 29 neuen Suiten. Mit ihrer außerordentlichen Größe und der besonderen Kombination aus klassischer Grand-Hotel-Eleganz und modernem Design werden sie auch anspruchsvollsten Reisenden gerecht.

Sämtliche Kunstwerke in allen neuen Zimmern und Suiten sind wertvolle Originale der beiden Hamburger Künstler Heinke Böhnert und Carsten Westphal: Während sich Böhnert in ihren Werken den bestimmenden Sujets Wind, Wasser, Wellen und Segel widmet, konzentriert sich Westphal in seinen Bildern ausschließlich auf die Weite und die Farben der afrikanischen Wüstenlandschaften.

Das kunstvoll gestaltete Hotel steht unter Denkmalschutz

Für das Atlantic gestaltete Böhnert die Bilder für die neuen Zimmer auf den Etagen Europa, Asien und Amerika: Alle Motive beziehen sich dabei auf das Gründungsjahr des Hotels 1909 und zeigen historische Segler, Dschunken und die Anfänge des Jachtsports. Die Bilder beeindrucken durch ihre spezielle Spachteltechnik, kombiniert mit Materialien wie Segelstoff, Papyrus oder Jutegewebe, und sind auf die Farben der in den Zimmern verwendeten Stoffe abgestimmt.

Für die Werke von Carsten Westphal mischt dieser Originalmaterialien aus den Wüsten dieser Welt wie Salz, Sand, Erde und Staub mit Farbpigmenten und Bindemitteln. So entstehen beeindruckende Relieflandschaften und Strukturbilder, die perfekt die Weite und den Zauber der Wüsten transportieren. Mittlerweile steht das Hotel sogar unter Denkmalschutz. Die Begründung: Das Atlantic dokumentiere als außergewöhnlich gut erhaltenes Beispiel den inzwischen seltenen Typ des „Palast-Hotels“, zu dessen Merkmalen insbesondere eine luxuriöse Ausstattung und die Größe des Hauses zählen.

Treffpunkt am Abend ist die Atlantic Bar. Gemütliche Ledergarnituren laden zum Verweilen ein.
Treffpunkt am Abend ist die Atlantic Bar. Gemütliche Ledergarnituren laden zum Verweilen ein.

Betritt man das prächtige Haus, taucht man ein in die altehrwürdige Welt hanseatischer Traditionen. Eine Vielzahl von Menschen verweilt in der weitläufigen Lobby bei einem Kaffee, Tee oder Cocktail, der sehr freundlich aus der Bar von Tugba Adli und ihren Kollegen serviert wird. Eincheckende Reisende werden sofort nach ihren Wünschen gefragt. Ich gebe meinen Koffer ab und gehe ins gegenüber der Rezeption gelegene Atlantic-Restaurant. Oberkellner Lars Hentschel begrüßt mich sehr aufmerksam und begleitet mich an einen Tisch mit Alsterblick. Auf der Karte: von Hummersuppe bis Nanteser Ente, ein gekonnter Spagat zwischen moderner Cuisine und bewährter Tradition. Mit Finesse verwandelt Küchenchef Peter Könemann die Atlantic-Klassiker und regionale Köstlichkeiten in einem virtuosen Spiel mit Essenzen und Aromen, frischen und saisonalen Zutaten in fantasievolle Gänge und kreative Menüs. Ich erlebe im Atlantic-Restaurant, wie die ausgefallenen Kreationen, das edle Ambiente und der erstklassige, ungezwungene Service sich zu einem genussvollen Moment für alle Sinne ergänzen.

Es ist Spargelzeit. Nach der Spargelcremesuppe mit Schinkenklößchen für elf Euro bestelle ich Spargel aus der Lüneburger Heide mit neuen Kartoffeln und zerlassener Butter für 24 Euro, Kalbsschnitzel für 13 Euro. Der Spargel ist perfekt und zart. Was trinke ich dazu? Oberkellner Hentschel schlägt einen Wein vom Weingut Reinhartshausen vor: eine Cuvée aus Chardonnay und Weißburgunder.

Er klärt auf: „Traditionell bieten wir Weißburgunder und Chardonnay als harmonisch komponiertes Rebsorten-Cuvée an. Der vollmundige Körper des Weißburgunders verbindet sich elegant mit dem würzigen Aroma des Chardonnay zu einem Wein mit intensivem, nachhaltigem Geschmack. Kellermeister ist dort der Anfang des Jahrtausends vom berühmten badischen Weingut Dr. Heger gekommene Günter Kanning. Zu Spargel passt er hervorragend.“ Das Glas kostet sechs Euro. Er überzeugt mich.

Nebenan liegt das chinesische Spezialitätenrestaurant Tsao Yang. Am Abend will ich das genauer unter die Lupe nehmen. Seit einem Besuch 1989 in China weiß ich, wie Chinesen wirklich kochen und dass das, was „beim Chinesen“ in Deutschland angeboten wird, in den meisten Fällen damit nichts zu tun hat. Das Mittagsmenü, bestehend aus sechs wählbaren Vorspeisen und Hauptgängen, ist hier jedoch delikat. Ich nehme Pekingsuppe und Ente zum Preis von 15,50 Euro. Sehr zufrieden verlasse ich das Lokal und setze mich an die Bar, wo mich James Halligan wieder freundlich bedient.

Letzten Endes sind es die Menschen, die das Hotel zu einem besonderen Erlebnis machen. Und das haben die Angestellten des Hotel Atlantic sehr gut verstanden.

Rolf Klöckner