Wahre Proteinbomben

Linsen erfreuen sich bereits seit der Steinzeit großer Beliebtheit. Die nährstoffreichen Hülsenfrüchte gibt es in zahlreichen Varianten und werden auch wieder bei uns im Saarland angebaut.

Viele Gastronomen setzen mehr und mehr auf heimische Linsen – Foto: Katharina Schwarz

Linsen spielten in der Menschheitsgeschichte bereits lange Zeit eine große Rolle. Schon in der Steinzeit waren sie Begleiter der Menschen. Die enorm nährstoffreichen Hülsenfrüchte sind wahre Proteinbomben. Die Heimat der Linse ist der fruchtbare Halbmond, jene Region, die sich wie eine Mondsichel in einem weiten Bogen vom Süden des Iraks über den Norden Syriens, den Libanon, Israel, Palästina und Jordanien erstreckt. Dort liegt ihr Ursprung, doch längst werden sie weltweit angebaut.

Ohne sie wären die neolithische, keltische, alemannische und auch südwestdeutsche Küche nicht denkbar. Diese Völker bereiteten die Linsen mit Getreide oder als Gemüse zu. Die Speisekarte der neolithischen Bauern, der bronzezeitlichen Bewohner der Pfahlbauten am Bodensee, der Kelten und Alemannen, unterschied sich nicht grundsätzlich von der heutiger Schwaben. Die Linse lässt sich in dieser Gegend hervorragend anbauen. So trat sie ihren Siegeszug gerade auf der Schwäbischen Alb an. Das hängt mit dem Boden dort zusammen. Linsen brauchen einen mergeligen oder sandigen, kalkhaltigen und lockeren Lehmboden.

Eigentlich war es ursprünglich im Südwesten Deutschlands ein Arme-Leute-Essen. Linsen hatten besondere Vorteile, denn sie waren lagerfähig, sehr sättigend und preiswert. Eintopf mit Linsen, Ackerbohnen, Speck, Spelzgerste oder Ur-Dinkel war schon damals sehr beliebt. Heute werden Gerichte mit Linsen in weiten Teilen der Welt in ihrer bemerkenswerten Vielfalt in den Küchen integriert.

Große Linsenfelder in Italien – Foto:picture alliance / imageBROKER

„Lens culinaris” gehört zur Ordnung der Hülsenfrüchte, zur Familie der Schmetterlingsblütler. Sie ist einjährig, wird 20 bis 50 Zentimeter hoch. Sie braucht eine Rankhilfe – in erster Linie sind dies Leindotter, Hafer oder Gerste – und wird aus diesem Grund in Mischkultur mit Getreide angebaut. Das verbessert die Erntefähigkeit, da die Mischungspartner verhindern, dass die Linsen sich auf den Boden legen. Zudem unterdrücken die Mischungspartner das Unkraut. Mit zwei Pflanzen auf einem Feld steigen natürlich die technischen Ansprüche bei der Ernte im Spätsommer, weil das Erntegut beider Pflanzen zügig getrennt werden muss. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich bei Feuchtigkeit Schimmel bildet. Sind die Linsen nun lagerfähig, besorgen Siebmaschine oder Trieure das Putzen und Aussortieren von Steinen.

Linsen zeichnen sich durch ihre Sortenvielfalt aus. Weltweit gibt es grüne, braune, graue, rote, gelbe und auch schwarze Linsen. Dazu können sie gemustert, groß oder klein sein. Linsen quellen beim Kochen etwa auf das doppelte Volumen auf. Deshalb braucht man etwa 50 Gramm als Beilage und etwas mehr als das Doppelte für einen Linsensalat. Welche Sorte für ein bestimmtes Gericht verwendet wird, richtet sich nach folgenden Kriterien: geschmackliche oder optische Vorliebe sowie Koch- und Zerfallseigenschaften. Letztere hängen vor allem davon ab, ob die Hülsenfrüchte geschält sind oder nicht. Geschälte Linsen wie die roten oder gelben zerkochen sehr schnell. Sie sind damit für Cremesuppen, Püree oder Puffer ideal geeignet.

Linsen enthalten so viel Eiweiß wie keine andere Hülsenfrucht. Sie bieten somit eine attraktive Alternative zu Fleisch, wobei die pflanzliche Eiweißquelle im Gegensatz zu Fleisch so gut wie kein Fett hat. Aus diesem Grund erfreut sich der Eiweißlieferant besonders im Ernährungsplan von Vegetariern und Veganern einer großen Beliebtheit. Auch Sportler, die ihre Muskeln aufbauen und stärken wollen, können die Hülsenfrucht in eine proteinreiche, fettarme Ernährung einplanen.

Feinschmecker lieben Puy-Linsen

Wer Gewicht verlieren will oder generell auf eine gesunde Ernährung achtet, wird sich auch über den hohen Anteil von Kohlehydraten und Ballaststoffen in der Hülsenfrucht freuen. Dieser sorgt dafür, dass man sich lange Zeit gesättigt fühlt. An Mineralstoffen hat die Linse auch einiges zu bieten: Kalium, Magnesium, Calcium, Phosphor und Zink sind nur einige Beispiele. Außerdem enthält die Hülsenfrucht die Vitamine der B-Gruppe. Diese sind wichtig für das Nervensystem. Zudem enthalten Linsen Eisen und sind damit ein pflanzliches Präventionsmittel gegen Eisenmangel.

So sehen Linsenblüten aus. Die Pflanzen werden auch wieder auf der Schwäbischen Alb angebaut – Foto: picture alliance / Franziska Gabbert / dpa

Rote Linsen bezeichnet man auch als schnell kochend. Die Kochzeit beträgt etwa zehn Minuten. Ihr Vorteil: Durch ihre mehlige Konsistenz sättigen die Linsen schnell und effektiv. Die indische Linsensuppe etwa ist eine würzige Variante mit Knoblauch, Ingwer, Chili und Koriander. Die schwarzen Linsen muss man unbedingt einen Tag vorher einweichen. Sie sind auch als Belugalinsen bekannt. Ich weiche Linsen grundsätzlich ein. Das Besondere an der schwarzen Sorte ist der sehr geringe Fettgehalt.

Grüne Linsen hingegen eignen sich gut für Currys. Tellerlinsen sind etwas größer als die anderen Sorten. Sie haben eine bräunlich-grüne Farbe. Aufgrund ihrer Sämigkeit eignen sie sich gut für Suppen und Eintöpfe. Die gelbe Sorte gehört auch zu den Schnell-Koch-Linsen. Das Verhältnis von Wasser zu Linse sollte 2:1 sein. Berglinsen sind etwas fester und aromatischer, gut geeignet für einen aromatischen Linsensalat.

Kaum eine Spitzengastronomie verzichtet heute auf Hülsenfrüchte. Sie lässt sich prima mit Fisch kombinieren oder als Zutat für fantasievolle Salate und raffinierte Suppen. Unter Feinschmeckern hat eine Linsensorte einen besonderen Stellenwert. Sie heißen vollständig eigentlich „Le Puy”-Linsen, da sie aus der Region Puy de Dôme in der Auvergne stammen. Der Vulkanboden in der Region eignet sich bestens für den Anbau. Puy-Linsen stammen von der Linse „Lens orientalis” ab. Sie haben einen unvergesslichen Geschmack, sind aromatisch nussig, besitzen eine extrem dünne Schale und sind wunderschön grau-blau-braun. Ihre Konsistenz ist deutlich fester und nicht so mehlig wie die anderer Linsensorten. Deswegen sollte man sich auch nicht wundern, wenn der Kern selbst nach Ablauf der Kochzeit noch nicht so weich ist. Da sie auch während des Kochvorgangs die Form behalten, sind sie ideal für Linsensalate, Suppen oder als Beilage geeignet und finden zunehmend Verwendung in Delikatessen. Daher gelten sie, gemeinsam mit den Belugalinsen, als besonders edle Linsenart. Auch in der Hochküche haben sie heute ihren besonderen Platz. Ein befreundeter Hobbykoch benutzt sogar nur diese Sorte für all seine Krea-tionen. Eher unbekannte Sorten sind Château-Linsen, Castelluccio-Linsen oder Trojalinsen.

Ungeschält über Nacht einweichen

Auch im Saarland sind die Linsen zurück. Hier bemüht sich vor allem die Bewegung „Slow Food” auf die Rückbesinnung. Im Jahr 2016 erklärten die Vereinten Nationen das Jahr zum Internationalen Jahr der Hülsenfrüchte. Seither veranstaltet Slow Food im Saarland Hülsenfrüchtewochen. Alljährlich wird nach dem „Erbsensonntag”, dem ersten Fastensonntag, in Zusammenarbeit mit zahlreichen Restaurants zu diesen Wochen eingeladen. Dies geht dann zwei Wochen. Patric Bies von der Bliesgau-Ölmühle ist seit Jahren bemüht, saarländische Bauern zu überzeugen, Hülsenfrüchte anzubauen. Mit Erfolg!

Patric Bies (links, hier mit Jörg Hector) macht sich seit Jahren für den Linsenanbau an der Saar stark – Foto: Astrid Karger

Seit einigen Jahren werden beispielsweise grüne Linsen im Saarland wieder angebaut. Landwirt Werner Brengel von der Loutzviller Mühle bei Brenschelbach baut sie im Gemisch mit weiteren Kulturpflanzen an. 2017 hat auch Johannes Dörr vom Wackenberger Hof bei Wiesbach mit dem Anbau grüner Linsen begonnen. Schwarze oder Beluga-Linsen in Bio-Qualität wachsen oberhalb des Saartals bei Wadgassen. Mit dem Mischfruchtanbau von schwarzen Linsen hat sich Marcus Comtesse ein hohes Ziel gesteckt. Die Kulturen werden noch bodenschonender – nämlich pfluglos – angebaut, um die wertvolle Nährstoffe produzierenden Regenwürmer nicht zu vertreiben. Qualitätsansprüche, die man schmeckt.

Auf den Anbau roter Linsen, sogenannte Champagner-Linsen, hat sich Familie Guillaume in Landroff in Lothringen spezialisiert. Als Delikatesse für die gehobene französische Küche bleiben sie im Winter in der kalten Erde, sind aber meist schon im Frühsommer erntereif. Die meisten – so auch die saarländischen – werden mit der Schale angeboten. Andere sind geschält. Beide Varianten haben ihre Vorteile. Die ungeschälten Linsen sind nährstoffreicher und wesentlich geschmacksintensiver, da sich in der Schale die meisten Nährstoffe und Aromen befinden. Die geschälten sind leichter verdaulich. Allerdings handelt es sich dabei um ein homogenes Massenprodukt, denn für das technisch aufwendige Schälen müssen sie immer von gleicher Größe sein.

Die ungeschälten sollten über Nacht eingeweicht werden. Außerdem werden dadurch Mineralstoffe wie Eisen oder Zink besser verfügbar. Am nächsten Tag einfach das Einweichwasser wegschütten und Linsen in frischem, kaltem Wasser aufsetzen. Am besten ohne Salz, sonst brauchen sie länger, um weich zu werden. Die Garzeit variiert je nach Sorte und Alter der Linsen. Allerdings gibt es hier verschiedene Ansichten: Will man nämlich aus Linsen einen Salat machen oder sie als Beilage nutzen, dürfen sie nicht durchgekocht sein, sondern schmecken besser und sehen besser aus, wenn sie „al dente” sind. Das Auge isst ja bekanntlich mit!