Das Restaurant „Woll“ im benachbarten Spichern ist seit Generationen für viele Saarländer ein beliebter Ausflugspunkt. Das war unter Madame Woll früher so und hat sich auch unter der Führung von Jörg Walter in den vergangenen 15 Jahren nicht geändert.
In meiner Generation – ich bin Jahrgang 1956 – gab es schon immer das Bedürfnis, nach Frankreich zum Essen zu fahren. Seit Jahrzehnten sehr beliebt war immer schon das Restaurant „Woll“. Hier machen viele vor allem im Sommer zuerst einen ausgedehnten Spaziergang auf Spicherns Höhen und gehen anschließend „zum Woll“, um unter schattigen, alten Bäumen einen Flammkuchen, ein Glas Wein und den tollen Blick in die weite Landschaft zu genießen.
Ich kenne den „Woll“ bereits seit 50 Jahren. Kurz nach der Jahrtausendwende übernahm 2004 Familie Schwamm das Anwesen. Das Restaurant wurde behutsam renoviert, ohne dabei seinen alten Charme zu verlieren. Es wurde auch Neues geschaffen, etwa eine Hütte, in der die Fans von Fondue sich zu einem gemeinsamen Essen verabreden. Außerdem wurde ein Platz zum Boulespielen angelegt. Dazu wurde in die Kinderfreundlichkeit des Restaurants investiert, denn die Kleinen haben hier einige Möglichkeiten zum Spielen.
Keiner aus meiner Generation hat Madame Woll vergessen. Ihr Bild hängt natürlich immer noch an der Wand. Ihre Gäste liebten sie. Sie nahm sich immer Zeit, von Tisch zu Tisch zu schlendern, um ein Schwätzchen zu halten. Mir erzählte sie einst, in ihrem Leben habe sie einige unterschiedliche Ausweise verschiedener Staaten gehabt. Frankreich, Deutschland, Saarland. Ich mochte, wenn sie sich ans Klavier setzte und spielte. Das sind unvergessene Augenblicke. Madame Woll stand für die deutsch-französische Aussöhnung und bekam dafür 1987 vom saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine den saarländischen Verdienstorden verliehen.
Jörg Walter seit 15 Jahren Inhaber
Überhaupt spielte „der Woll“ bei vielen Saarländern eine wichtige Rolle. Hans Schwaninger, eine Persönlichkeit aus Alt-Saarbrücken, erzählte mir in den 1980ern die Geschichte, dass sie während des Zweiten Weltkriegs jüdische Bürger aus Saarbrücken „zum Woll“ brachten. Auf dem Weg zum Restaurant, den Berg hoch, seien sie aus dem Nazi-Lager an der Goldenen Bremm beschossen worden. Vom „Woll“ aus wurden sie dann mit einem Bus in die Freiheit nach Metz gefahren! Mit dabei: Herbert Wehner, der spätere Zuchtmeister der SPD, der als Untergrundkämpfer gegen die Nazis auch im damaligen Saargebiet tätig war. Deshalb fuhr Wehner später bei jedem Besuch in Saarbrücken auch zum „Woll“.
Vor Kurzem ging ich mal wieder mit meinem Freund Oliver Strauch zum „Woll“ zum Abendessen. Viele saarländische Familien verbinden mit dem Restaurant eine lange Geschichte, so auch die Familie Strauch. Ich war schon sehr überrascht, als er auf ein Bild an der Wand deutete: ein Bild seiner Familie! „Unsere Verbindung zum ,Woll‘ begann nach dem Krieg. Mein Vater kam aus der Kriegsgefangenschaft und meine Großeltern gingen mit ihm zum ,Woll‘. Er war zeitlebens mit Madame Woll gut befreundet und genoss den ,Woll‘ seit den 1950er-Jahren regelmäßig. Ich bin dann in den 1960ern geboren und lernte so schon als kleines Kind das Restaurant kennen. Ich erinnere mich noch, mein Vater bestellte oft Münsterkäse und Riesling. Ganz klassisch.“ Oliver feierte auch seinen 40. Geburtstag mit deutschen und französischen Freunden hier und auch das Hochzeitsfest mit seiner Frau Julia.
Aber zurück in die Gegenwart. Als Familie Schwamm 2004 den „Woll“ übernahm, wurde, wie bereits erwähnt, kräftig investiert. Nicht nur mit Geld, auch in Menschen. Von 2004 bis 2007 leitete mein leider viel zu früh verstorbener Freund Jürgen Becker das Haus und setzte neue Akzente. Seit dem 14. August 2007 leitet nun Jörg Walter das Haus. Und auch er ist ein Glücksfall für Familie Schwamm. Robert Wagner, mittlerweile leider verstorben, war ein sehr kompetenter Weinhändler. Da Jörg Walter zu dieser Zeit in der Weinbranche tätig war, lernten sie sich zwangsläufig kennen und zwar auf der größten Weinmesse der Welt, in Bordeaux. Und obwohl Walter vorher in der Sternegastronomie und im Weinverkauf herausragende Jobs hatte, lotste ihn Wagner nach Spichern. Jörg Walter war begeistert. Er hatte zuvor alles gelernt, was er hier brauchte: Koch, Konditor und Betriebswirt.
Dazu ist er hungrig, will immer das Beste in seinem Beruf erreichen. Das hat er hier umgesetzt. „Wenn die Leute gehen und dabei sagen, dass es ein toller Abend war und sie gerne wiederkommen, dann liege ich richtig“, betont Walter. „Auch wenn meine Leute nach Hause gehen und morgen wieder gerne zur Arbeit kommen. Und wenn der wirtschaftliche Erfolg stimmt! Dann stimmt der Kreislauf!“
Sicherlich gehört auch dazu, dass Walter betont, dass er seine Angestellten behandele wie er selbst als Angestellter behandelt werden möchte. Und das merkt man: Den Gast erwartet hier ein ungemein freundliches und kompetentes Team in Küche und Service. Die Geschwister Amélie und Jean-Victor Decker etwa stehen seit 43 Jahren hier am Herd und bereiten die Köstlichkeiten zu. Eine Lebensgeschichte!
Ein Kochleben für „den Woll“
Die Gäste werden hier wirklich respektiert und vor allem ernst genommen. Familienfreundlichkeit wird großgeschrieben. Jedes Wochenende hält Rosi, eine Erzieherin, Spielangebote für Kinder bereit. Außerdem bekommen die Kinder hier ihr Fleisch schon geschnitten auf die Teller. Damit die Familie gemeinsam das Mahl beginnen kann und die Eltern nicht erst assistieren müssen.
Die Karte ist völlig unkompliziert. Natürlich wollen vor allem die deutschen Gäste hier – und das ist die Mehrzahl – französische Gerichte essen. Das sind dann bei den Vorspeisen Froschschenkel, Weinbergschnecken, Quiche Lorraine oder Pastete „Chef“. All das habe ich die vergangenen Wochen probiert und kann alles empfehlen.
Andere Gäste bestellen gern „Crevettes roses“, die ebenfalls sehr gut sind. Bei den Hauptgängen orientieren sich viele am Fleisch der Metzgerei Schwamm. Lammkotellets, Entrecôtes oder Cordon Bleu „Munster“. Da kann man gar nichts falsch machen! Der Flammkuchen hier wird übrigens immer noch nach dem uralten Familienrezept der Familie Woll zubereitet. Ein echter Klassiker und ein Renner dazu.
Bei unserem Besuch für FORUM wählen wir die Klassiker: „Boudin Jean-Victor“, Froschschenkel, die geschmorten Rinderbäckchen und Tartar. Aus diesem Grund sind wir eigentlich hierher gekommen und sind hinterher mehr als zufrieden! Einen Wein findet man hier auch problemlos. Ich stehe auf einen Weißwein von der Rhône, den ich hier immer trinke. Passt!
Gegenseitige Wertschätzung
Übrigens: Wie zum Beleg, dass die Chemie zwischen Chef und Belegschaft hier eine ganz besondere ist, komme ich zum Abschluss mit Adama Wade ins Gespräch, unserem Kellner. Adama stammt aus dem Senegal und seine Fröhlichkeit ist wirklich ansteckend!
Er wohnt sogar hier im Haus und betont: „Ich arbeite hier sehr gerne, seit neun Jahren schon. Mit den netten Gästen und unserem tollen Team!“