Gelebte Kindheitserinnerungen

Das „Le Baron Rouge“ im benachbarten Creutzwald steht für klassische französische Bistro-Kultur. Die Vielfalt, die Delphine Picard und ihr Team hier bieten, ist beeindruckend und sorgt für einen großen Kreis an Stammgästen.

Markknochen bekommt man heute selten – Foto: Astrid Karger

Als ich das Bistro in Creutzwald betrete, muss ich unweigerlich an den Song unserer alten Band denken: „Paris, ein Fest“! Ich denke an Ernest Hemingway, der lange in Paris lebte und die Szene ebenso zu schätzen wusste, und ich denke an unvergessliche Besuche der vergangenen Jahrzehnte in Pariser Bistros. Es gab Jahre, da führte mich zur Mittagszeit mein Weg direkt nach Ankunft am Pariser Ostbahnhof in mein Lieblings-Bistro. Auf eine Speisekarte verzichtete ich. Dort wurde ich mit Vornamen begrüßt und ich sagte lediglich: „Ich habe Hunger und Durst. Macht mal!“

Wer ein beschauliches Gasthaus sucht, um in aller Ruhe ein Mittagessen einzunehmen, ist hier falsch. Im „Baron Rouge“ wird täglich das Leben gefeiert. Es ist voll, fröhlich, hier wird man zuvorkommend empfangen und ist für zwei Stunden in einer anderen Welt! Ich zähle allein 14(!) Tafeln, auf denen Weine und Speisen notiert sind. Und obwohl es proppenvoll ist, geht es lustig zu und ist angenehm, aber nicht sinnlos laut. Ich komme mir fast vor, wie in einem Theaterstück. Das Bistro „Le Baron Rouge“ ist wirklich einmalig!

„Gugelhupf“ in Rum getränkt – Foto: Astrid Karger

Es ist ein sonniger Herbsttag im Oktober, als ich mit der Fotografin zusammen um 13 Uhr hierankomme. Gerade mal zwei Tische sind noch frei. Einer ist für uns reserviert, der andere wird wenige Minuten später von vier Männern belegt. Auch draußen vor dem Lokal gibt es keine freien Tische mehr!

Wir werden neben zwei Damen platziert, denen es augenscheinlich große Freude bereitet, das täglich wechselnde Tagesmenü zu goutieren. An diesem Tag gab es: Salat mit warmem Ziegenkäse, Rinderspieß mit Kartoffelpuffer und Schokoladenkuchen. Das Ganze für faire 16 Euro. Die beiden Damen machen auf mich den Eindruck, als würden sie ihre Mittagspause hier täglich verbringen.

Ich schaue mich um, bewundere das Ambiente, das wirklich etwas Besonderes ist. An den Wänden hängen zahlreiche Emaille- Schilder, die die Betreiberin sicherlich auf Flohmärkten erstanden hat. Zwischen gemalten Landschaftsbildern und Fotografien entdecke ich Emaille-Schilder von Versicherungsfirmen, Schilder von Pastis und Paris. Eines sogar mit dem Namen Picard, der Nachname der Wirtin. Auf den Holztischen liegen rot-weiße Tischläufer. Der Boden ist mit schwarz-weißen Platten ausgelegt. An den Wänden und der Decke alte Lampen und Kronleuchter. Überall finden sich alte Küchenutensilien. Als ich zwischendurch einmal zur Toilette gehe, steht auf den Türen nicht etwa Damen und Herren, sondern Citoyen und Citoyenne – Bürger und Bürgerin. Ich sage doch, das hat hier etwas von einem Theater!

Hier pulsiert am Mittag wirklich das Leben

Dazu gibt es Ile flottante au caramel – Foto: Astrid Karger

Betreiberin des „Baron Rouge“ ist seit 18 Jahren Delphine Picard. Dieses kunterbunte Theater hat schon etwas von einem Bistro in Paris. „Ich wollte schon immer so ein Bistro wie in Paris haben“, erzählt sie. Bistro parisienne, Bouchon lyonnais – beides stimmt! Hier soll man sich wohlfühlen, gut essen und nicht als arme Kirchenmaus das Haus verlassen. Und das klappt!

Begonnen hat Delphine Picard ihr Leben in der Gastronomie bereits mit 18 Jahren in Thionville. Es folgten weitere Stationen, auch in Luxemburg. Vor knapp 20 Jahren hörte sie, dass dieses Haus zu haben sei. In der Zeit wohnte sie in einem kleinen lothringischen Dorf, etwa zehn Kilometer von Creutzwald entfernt. Wer die französische Bistrokultur liebt, wird im „Baron Rouge“ jubeln. Ich finde auf den Tafeln, auf den die Gerichte verzeichnet stehen, bestimmt Ideen für zehn Besuche. Auch die Weinauswahl lässt keine Wünsche offen. Aus vielen französischen Weinbaugebieten sind Kreszenzen verzeichnet. Ich gönne mir einen Côtes-du-Rhône Village der Domaine des Tavanas. Zudem finde ich Gerichte, die man sonstwo lange suchen muss! Burgunderschnecken mit Landschinken, Markknochen und Boudin mit hausgemachtem Püree etwa. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, so begeistert mich diese Karte. Hier passt alles zu meinem Geschmack!

Die leise Musik im Hintergrund, dieses ungewöhnliche Ambiente und die Herzlichkeit, die wir erleben dürfen, sind etwas ganz Besonderes. Um die alte Theke pulsiert das Leben. Delphine Picard und ihre Mitarbeiterinnen lesen uns jeden Wunsch von den Augen ab.

Jeden Monat gibt es übrigens auch musikalische Abende mit Musette oder Jazz. An diesem Wochenende wird bis zum 20. November der neue Beaujolais gefeiert. Sieben Tage die Woche empfangen sie hier ihre treue Stammkundschaft. Gekocht wird eine bodenständige Bistroküche, die weit über regionale Gerichte aus Lothringen hinausgeht.

Musiaklische Abende mit Musette oder Jazz jeden Monat

Dieses kunterbunte Theater hat schon etwas von einem Bistro in Paris, findet unser Kolumnist – Foto: Astrid Karger

Ich hätte auch Andouillettes mit der Qualitätsauszeichnung AAAAA (steht für Association amicale des amateurs d‘andouillette authentique) aus der Hauptstadt der Andouillettes, aus Troyes, essen können. Oder Kabeljaurücken oder Froschschenkel. Auch üppige Salate stehen hier auf der Karte: Vogesensalat mit Speck, Croutons und Eiern, Salat mit Hühnerleber, Schäfersalat mit Schinken, Toast mit Ziegenkäse oder Normanischer Salat mit Kartoffeln, Hühnchenfilet und Camembert. Immer auf dem Programm sind auch Omelette und warme Sandwichs.

Wer diese Küche mag, sollte einfach mal hinfahren. Die Franzosen lieben ihre Bistros. Wer einmal einen Zug durch die Gemeinde gemacht hat – ob in Paris oder Lyon –, wird diese kulinarischen Erlebnisse nie mehr vergessen. Manchmal war es auch so, dass man unterschiedliche Gerichte verschiedenen Bistros zuordnete. So aß ich etwa Lamm eine Zeit lang am liebsten im „Le Coude fou“ hinter dem Pariser Rathaus.

Wer in der Woche mehrmals auswärts essen muss, landet zwangsläufig in einem guten Bistro. Hier ist es natürlich auch billiger als in den großen Restaurants. Dazu kommt auch, dass man in diesen Bistros noch die Küche der Großmütter goutieren kann.

Dazu ist das Essen in Bistros unkompliziert. Man steht vor den handgeschriebenen Speisekarten oder Tafeln und erinnert sich an sofort an die eigene Kindheit. Und all die schönen Erinnerungen aus Großmutters Küche kommen wieder hoch!

Das „Le Baron Rouge“ ist jeden Tag, sieben Tage die Woche, bestens besucht – Foto: Astrid Karger

Da ein Bistro oft mehr als ein Gasthaus ist, kaufen die Stammkunden im „Baron Rouge“ auch gern für Zuhause ein, Wein etwa. Die Auswahl ist groß und bietet immer wieder Überraschungen. Aber auch Kaffee und Tee. So weist ein Schild auf die unterschiedlichen Kaffeesorten hin, die hier angeboten werden – vom Espresso bis zu einem Mokka aus Äthiopien etwa. Auch eine reichhaltige Teeauswahl gibt es hier.

Wein-, Kaffee- und Tee-Spezialitäten auch zum Mitnehmen

Dazu veranstaltet das Haus private Feiern, Bankette, Themenabende mit Musik und Essen und Trinken zum Mitnehmen.

Diesen Ausflug nach Creutzwald werde ich sicher bald wiederholen! Die Herzlichkeit, mit der wir von Delphine Picard und ihrer Equipe empfangen wurden, war wirklich beeindruckend. Und auch die fantastische Auswahl an Speisen und Weinen hat mich restlos überzeugt. Diese Auswahl findet man nicht überall, die ist schon ganz besonders hier. Das „Le Baron Rouge“ von Delphine Picard ist wirklich eine unverwechselbare Perle auf dem Land!

Le Baron Rouge

60, Rue de la Gare

F-57150 Creutzwald

Telefon 0033-387901335

kein Ruhetag
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