Königin der Gewürze

Die beste Vanille der Welt kommt aus Madagaskar – und aus dem französischen Forbach. Denn von hier aus vertreibt Léonie Jungen das zweitteuerste Gewürz der Welt für Gastronomen und Feinschmecker rund um den Globus.

Vanille gilt als Königin der Gewürze. Teurer ist nur noch Safran. Die Schoten werden blanchiert (gekocht), anschließend wochenlang in einem komplizierten Verfahren getrocknet und reifen danach in Kisten aus, bevor sie zu einem der wertvollsten Gewürze der Welt werden. Wer die Vanillesauce eines großen Kochs schon einmal goutierte, weiß, wovon ich rede. Gleiches gilt für die Wunderwerke eines Patissiers, der die Vanille für seine einmaligen Cremes braucht und damit Menschen in Verzückung versetzt.

Im französischen Forbach gibt es eine junge Frau, die sich ganz diesem exquisiten Gewürz verschrieben hat und Kunden weltweit beliefert. Léonie Jungen stammt aus Madagaskar und hat mit ihrem Mann ein gemeinsames Geschäft aufgebaut – den Handel mit der besten Bourbon-Vanille und den Gewürzen der Insel im Indischen Ozean. Von der saarländisch-lothringischen Grenze aus versenden die beiden die beste Vanille weltweit – auch an Großabnehmer. Wenn Kunden etwa bei Fleischwaren Schwamm in Saarbrücken Vanille kaufen, stammt diese aus den besten Produktionen Madagaskars – und von Léonie Jungen. Aber auch Privatleute bestellen ihre Vanille im virtuellen Geschäft hinter dem Spicherer Berg.

Unter dem Begriff Bourbon-Vanille wird Vanille aus Madagaskar weltweit gehandelt. Der Name Bourbon stammt von der Nachbarinsel Réunion, die im 19. Jahrhundert noch Bourbon hieß. Hier wurde Vanille zuerst angebaut. Heute spielt sie in der Vanilleproduktion keine Rolle mehr, denn heute ist Madagaskar das Zentrum der Vanille. 80 Prozent der Orchideenpflanzen mit dem einmaligen Geschmack wachsen hier. Die Vanille stammt ursprünglich aus Südamerika, spanische Seefahrer brachten sie im 17. Jahrhundert aus Mexiko mit nach Europa. Die Spanier nannten sie „vainilla“, „kleine Hülse“. Drei Jahrhunderte lang war es Spanien, das das Weltmonopol für Vanille behielt.

An einem sonnigen Wintertag sitze ich im Wohnzimmer von Familie Jungen in Forbach. An der Wand klettert eine Vanillepflanze empor. Draußen in der Sonne liegen kräftige, lange Vanilleschoten. Zwischen 16 und 21 Zentimeter lang sind die Objekte der Begierde der Küchenchefs und Patissiers. Ich frage, ob die Pflanzen mit chemischen Produkten behandelt werden. Familie Jungen klärt mich auf: „In Madagaskar gibt es keine Bauern, die ihre Pflanzen mit irgendeinem chemischen Produkt bearbeiten. Dafür hätten sie gar kein Geld. Wir fragen grundsätzlich nach. Vor allem, wenn wir einen Bauer nicht kennen, was aber sehr selten vorkommt. Das System auf der Insel ist ganz eng an die Natur angelehnt. Die Erde ist feucht, und die Pflanze wächst darauf. Alles ist natürlich, deshalb ist die Qualität der Bourbon-Vanille auch so gut.“

Es dauerte lange, bis es gelang, die Vanille außerhalb Südamerikas anzubauen. Denn nur dort gibt es eine Bienenart, die für die Bestäubung der Pflanzen verantwortlich ist.

80 Prozent der Weltproduktion von Madagaskar

In Madagaskar machen das heute die Bauern selber, wie Léonie Jungen mir erklärt. „Die Vanille wird von Hand bestäubt. Die Orchideenpflanze hat eine wunderschöne Blüte, und mit einem kleinen Stück Holz wird sie von den Bauern bestäubt. Es ist eine Arbeit, die viel Aufmerksamkeit verlangt. Denn der richtige Zeitpunkt zur Bestäubung ist sehr begrenzt, im Extremfall sogar nur an einem einzigen Tag möglich. Und wenn dieser verpasst wird, ist es vorbei.“ Bis zu 1.200 Blüten täglich bestäuben die Bauern.

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Léonie Jungen ver­treibt Bourbon-Vanille und andere Produkte aus ihrer Heimat Madagaskar.-Foto:Astrid Karger

Die künstliche Bestäubung gelingt erst seit dem 19. Jahrhundert, um 1850 gelang es zum ersten Mal auf Réunion. Damit war endlich das spanisch-mexikanische Monopol gebrochen, und die Welt veränderte sich damit wieder einmal grundlegend. Später schafften es Forscher, auch den synthetischen Duftstoff Vanillin herzustellen. Somit waren die Voraussetzungen der Vermarktung des Vanilleduftes und Vanillegeschmacks für Supermarkt und Discounter geschaffen. Heute wird Vanille auch in Indonesien, China, Mexiko, Tahiti und Indien angebaut. Doch die dort angebauten Vanillesorten sind nicht mit der Bourbon-Vanille zu vergleichen. Man sagt, Bourbon-Vanille sei ungefähr doppelt so intensiv wie die Nummer zwei, Vanille von Tahiti. Die Weltproduktion liegt bei etwa 10.000 Tonnen. Die Industrie arbeitet natürlich mit dem kostengünstigeren künstlichen Vanillin. Damit tränken sie Schokolade, Eis, Coca-Cola, Kekse, Konfekt, aber auch Arzneimittel, Duftsprays, Kosmetika und Parfums.

Die Insel Madagaskar erzeugt 80 Prozent der Weltproduktion der grünen Schoten, die nach dem Trocknen schwarz werden und dabei 80 Prozent ihres Gewichtes verlieren. Denn dieses Gewicht besteht vor allem aus Wasser. Von 1.000 Kilo geernteten grünen Schoten bleiben also lediglich 200 Kilo zum Verkauf. Acht Monate dauert der Prozess, bis die Vanilleschote verkauft werden kann. Im Nordwesten und Nordosten der Insel liegen die Gebiete, in denen die Vanille angepflanzt wird. Familie Jungen hat im Nordwesten ihre Plantage. Weitere Vanilleschoten kaufen sie von befreundeten Bauern nach ihren strengen Vorgaben dazu.

Neben der Vanille können Kunden bei Léonie Jungen auch grünen und schwarzen Pfeffer, Muskatnüsse, Kurkuma, Zimt und viele andere hochwertige Gewürze beziehen. Dazu gibt es dort auch einmalige Marmeladen und Vanilletee. Ich war beeindruckt von der Sorgfalt und der Qualität, mit der hier gearbeitet wird. Léonie Jungen hat ein Geschäft aufgebaut, mit dem sie vielen, die in Küche und Backstube arbeiten, eine große Freude macht. Dazu hilft sie den Vanillebauern von Madagaskar, ihre Produkte zu vermarkten.